Weg mit der Kirchensteuer lautet ein weit verbreitetes Postulat. Weg mit der Bindung Kirchensteuer an die Kirchenmitgliedschaft, die ja ohnehin nicht wirklich existiert. Die Taufe prägt ein unauslöschliches Siegel in den Menschen. Wer Glied der Kirche ist, bleibt es für immer. Ein Essay mit Faktencheck zur ungeliebten Kirchensteuer.

Geld
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Der Hauptgrund oder das ewige Gerücht

De fama ist die Kirchensteuer der Hauptgrund für den Austritt aus der Kirche. In der Tat, auch mich wies der Steuerberater darauf hin, dass man recht einfach die Kirchensteuer sparen könne. Erste Antwort: Schallendes Gelächter. Zweite Antwort die Frage, ob er sich im Klaren sei, was er da vorschlage. Über den weiteren Dialog sei hier der Mantel des Schweigens gebreitet. Steuerberater sind nach irgendeinem Urteil dazu verpflichtet, auch auf diese Steuersparmöglichkeit hinzuweisen. Trotzdem treten gerade die nicht aus, die viel Kirchensteuer zahlen. In allen vergangenen Jahren gab es steigende Kirchensteueraufkommen bei zugleich steigenden Austrittszahlen. Absurd? Nicht ganz.

Immerhin dürfte dieser Faktencheck das Argument, die Kirchensteuer sei der Hauptgrund für den Kirchenaustritt fix zerschellen lassen. Das kann es nicht sein, sonst wären die Austrittszahlen nämlich kirchensteuerrelevant. qed.

Dennoch ist in der veröffentlichten Meinung die Kirchensteuer ein stetiger Grund zum Ärgernis. Diese Kirche erdreistet sich doch glatt, ihre Mitgliedsbeiträge direkt von den Finanzämtern erheben zu lassen. Das allerdings ist eine WinWin- Situation. Die Kirche zahlt für diese Dienstleistung. Der Staat erhebt also die Kirchensteuer aufkommensneutral. Die Kirche könnte für den Preis keine eigene Struktur zur Beitragserhebung aufbauen und betreiben. Das ist folglich kein Privileg der Kirche, das ist ein Vertrag zwischen der Kirche und dem Staat.

Die Kirchensteuer ist für eine große Zahl gläubiger und praktizierender Katholiken ein steter Quell des Ärgernis. Die Verwendung der Kirchensteuer gibt oftmals Anlass zur Sorge oder zu veritablem Ärger. Wasserköpfe in Generalvikariaten und Ordinariaten, Betrieb und Unterhaltung problematischer Internet- und Social Media -Auftritte, horrende Ausgaben für Berater und Agenturen aller Art, Pastorale Prozesse, die mit viel Geld betrieben werden und die Kirche von den Gläubigen entfremdet, das sind nur einige der Kritikpunkte. Fast jeder Katholik quer durch Bandbreite die kirchenpolitischen und spirituellen Ausrichtungen kann solche und ähnliche Ärgernisse fehlverwendeter Kirchensteuern nennen. Das ist natürlich individuell anders gefäbt.

Die Apparatschiks und was noch bezahlt wird

Die Kirche leistet sich zudem auf Kosten der Kirchensteuerzahler einen riesengroßen Apparat an Laienfunktionären und hauptamtlichen Verbandsvertretern. In der erdrückenden Mehrheit gehören diese einem linkskatholisch-reformorientierten Mainstream an. Dieser Mainstream ist von der katholischen Basis ebenso weit entfernt, wie jede Funktionärskaste von ihrer Basis. Der Grad der Entfremdung ist enorm. Dies ist umso mehr ein Ärgernis, als gerade diese Funktionäre der Verbände und Gremien den Bischöfen direkt als Gesprächspartner dienen. Man könnte von kommunizierenden Elfenbeintürmen reden.

Die Kirche betätigt sich zudem als der größte Sozialkonzern in Deutschland. Die Caritas ist der zweitgrößte Arbeitgeber in Deutschland. Rechnet man die von Gemeinden, Stiftungen und gGmbHs in kirchlicher Hand betriebenen Sozialeinrichtungen noch dazu, wird sehr schnell klar, wie weit vorne die Kirche als Arbeitgeber mitspielt. Ohne die Kirchensteuer könnten viele dieser Betriebe nicht mehr unterhalten werden. So sagt man. Man darf das aber auch bezweifeln. Andere Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege kommen auch ohne Kirchensteuer aus.

Nimmt man zusammen, wofür die Kirchensteuer aufgewandt wird, dann ist das die Verwaltung, die Seelsorge, die Caritas und das Funktionärswesen. Das sind die Hauptposten auf der Ausgabenseite der Kirchensteuerverwendung. Sehr leicht erkennt man, dass die Kirche hier Strukturen geschaffen hat, in denen die Kirche als Arbeitgeber auftritt und auftreten kann, weil eine relativ hohe Einnahmesicherheit herrschte.

Das Ende naht

Das war in der Vergangenheit so. Das wird sich in naher Zukunft ändern. Die sogenannten Babyboomer gehen in Rente und hören auf, in nennenswertem Umfang Einkommenssteuern zu zahlen. Damit hören sie auch auf, Kirchensteuer zu zahlen. Nur ein Bruchteil der Rentner zahlt Kirchensteuer. Innerhalb von zehn Jahren wird sich, so lauten vorsichtige Schätzungen, die Kirchensteuer halbieren. Diese vorsichtigen Schätzungen gehen davon aus, dass die Kinder vor allem aber die Enkel der derzeitigen Kirchensteuerzahler ebenfalls zahlen werden. Das ist nicht der Fall.

Während in der Generation der heute 50 bis 60jährigen eine hohe zuweilen nur sentimentale Kirchenbindung vorherrscht, nimmt selbige in den Folgegenerationen drastisch ab. Die jungen Menschen, die jetzt ins Arbeitsleben streben, sind in zweiter oder dritter Generation nicht kirchlich sozialisiert. Erscheint auf der ersten Lohnabrechnung die Kirchensteuer, so ist der Weg zum Amt oder dem Gericht zwecks Austritts aus der Kirche nicht eine Frage des Ob, sondern nur eine Frage des Wann.

Von heute ungefähr 5,5 Mrd €uro Kirchensteuer bleiben im besten Falle 2,5 Mrd. über. Wenn man ehrlich zu sich selber ist, wird es deutlich weniger sein. Nun braucht es nicht viel Phantasie, sich vorzustellen, wieviel von dem üppig versorgten Verwaltungs- und Funktionärsapparat noch übrig sein wird, wenn plötzlich nur die Hälfte der Kohle da ist. Auch auf teure Berater wird man verzichten müssen. Ob es noch wirtschaftlich ist, die Kirchensteuer von den Finanzämtern einzutreiben, darf in Frage gestellt werden. Dazu kommt noch, dass die Kirche pro Jahr die Anzahl der Einwohner einer großen Stadt an Mitgliedern verliert. Bei der EKD ist der Verlust noch drastischer. Auch dieser zahlmäßige Verlust schreitet progressiv voran. In weniger als zehn Jahren werden die Christen in Deutschland in einer Minderheitensituation sein. Da ist es mittelfristig ohnehin fraglich, ob die durch Finanzämter erhobene Kirchensteuer überhaupt politisch noch zu halten sein wird.

Allen Kritikern der Kirchensteuer kann man nur versichern, dass sie in spätestens zehn keinen Grund zur Kritik mehr haben. Die Kirchensteuer in der uns bekannten Form wird es dann nicht mehr geben. Zugleich ist das etwas, was sich gesellschaftlich auswirken wird. Die Caritas und das gesamte soziale Engagement der Kirche wird es dann in dieser Form auch nicht mehr geben.

Das alles tröstet all jene nicht, die die Kirchensteuer lieber gestern als heute los wären. Sie ist für die Kirche ein Ballast, ein Klotz am Bein, ein Hindernis für die Mission und die Neuevangelisierung. Wer diese Steuer nicht mehr zahlen will, ist de facto exkommuniziert. Jedes Drumherumgerede ist unnützes Geschwafel. Wer nicht löhnt kriegt keinen Service. Punkt. Die Kirchensteuer trägt das Manko eines jeden fiskalischen Systems. Sie spült Geld nach oben und drückt Aufgaben ohne Ausgleich nach unten. Pfarrer beklagen zu Recht Geldmangel. Diözesen horten Milliarden und hauen die Millionen für Ordinariatsgebäude und Dome mit leichter Hand raus. Die Kirchensteuer steht dort nicht zur Verfügung, wo sie erwirtschaftet wird.

Schaffte man sie von heute auf morgen ab, dann entstünde eine ganze Flut sozialer Katastrophen. Trotzdem gibt es keine Alternative, mit der Frage der Kirchensteuer produktiv umzugehen.

Darum: Einstieg in den Ausstieg jetzt!

Es gilt, das Kirchensteuervolumen in den kommenden Jahren gezielt herunter zu fahren. D.h. Senkung des Kirchensteuersatzes von 9% um jährlich 0,5 bis 1 Prozentpunkte. In einem Umlageverfahren müssen finanzstarke Bistümer noch mehr als heute die schwachen im Übergang unterstützen. Zugleich mit der aktiven Senkung gilt es ein funktionierendes Fundraising aufzubauen, Stiftungen zu errichten und Maßnahmen zu ergreifen, die die Kirchenfinanzierung auch dann sicher stellen, wenn die Steuer entfällt.

Es gibt eine Menge Menschen, die nichts von unserem Glauben halten, aber unser soziales Engagement hoch schätzen. Die Caritas muss unter dem Dach der Kirche outgesourced werden. So kann sie eigenständig in der Gesellschaft agieren.

Seelsorge und Verkündigung müssen von Geld unabhängig bleiben. Das ist auch mit einem geringeren Aufkommen möglich. Wir brauchen keine Riesenverwaltungen. Wasserköpfe gehören sozialverträglich abgebaut. Wir brauchen keine Werbeagenturen. Das Marketing der Kirche ist das Evangelium. Wir brauchen keine Unternehmens- und Organisationsberater. Wir haben aus dem Evangelium heraus eine Gemeindeordnung. Es ist möglich, einen sinnvollen Umgang mit den Immobilien zu finden. Auch Dome und kulturell wertvolle Kirchen müssen finanziell auf andere Beine gestellt werden. Das geht in anderen Ländern auch.

Den Einstieg in den Ausstieg der Kirchensteuer kann man gar nicht früh genug anfangen, weil man nur so den Umstieg auf ein anderes System der Kirchenfinanzierung noch offensiv gestalten kann. Wer jetzt den Umstieg verpennt, muss in zehn Jahren Entlassungen im großen Stil und soziale Härten erklären. Der Umstieg von der Kirchensteuer auf ein anderes System könnte sehr gut ein Thema für den „Synodalen Weg“ sein. Doch dieser wird das Thema so weit umschiffen, wie es nur eben geht, denn alle Teilnehmer dieser Veranstaltungen sind Profiteure des Systems und werden darum kein Interesse daran haben.

Einzig die Bischöfe könnten vielleicht die Weitsicht haben, zumal ihnen eine Studie über die Entwicklung der Mitgliederzahlen der Kirche und der Entwicklung der Kirchensteuer vorliegt. Ganz gleich, wofür man sich entscheidet, für den sanften Weg des schnellen Einstiegs in den Ausstieg oder für die harte Landung des brutalen Abbruchs in zehn Jahren, das Ende der Kirchensteuer in der jetzt bekannten Art wird kommen. Wie groß die sozialen Härten werden, liegt schon heute in der Hand der Hirten.