Es war ein Akt des Friedens den alten Ritus wieder unbeschränkt zuzulassen. Das muss sich am Ende durchsetzen. Liturgische Grabenkämpfe braucht niemand. 
Ein Altar zur Feier der Hl. Messe im Alten Ritus hergerichtet– Foto: Francis Helminski (Lizenz: CC-BY-SA-4.0)

Es war ein Akt der Versöhnung und es war ein Akt der Heilung. Das Motu proprio „Summorum pontificum“ im Jahr 2007 heilte eine ganze Reihe von Wunden, es öffnete viele Wege und es holte den viele Jahrhunderte alten Ritus aus einer ihm nicht gebührenden Schmuddelecke. Es waren Akte liturgischer Gewalt, die der Kirche ihre liturgischen Wurzeln kappte. Nicht eine organische Weiterentwicklung führte zum Missale Pauls VI. im Jahr 1970. Es handelte sich um eine am grünen Tisch entwickelte Liturgie, die sich etwas willkürlich alter liturgischer Formen bediente oder sie verschmähte oder Neues erfand. Da diese Liturgie von einem Papst approbiert ist und keine Häresien enthält, wenn man sie rite et recte feiert, gibt es rein sachlich keine Einwände. Allein, die Art der Einführung mit dem Holzhammer und der Versuch eines Verbots der überlieferten Messe, das nie zur Gänze rezipiert wurde, lassen den Novus Ordo Missae immer als einen Ritus mit einem „Aber“ dastehen.

Novus Ordo ist eine gültige Messe

Ganz in diesem Ritus aufgewachsen, bietet er den allermeisten Katholiken unserer Tage eine geistliche Heimat. Große Glaubensgestalten wie Mutter Theresa oder Johannes Paul II. zeigen sehr wohl, dass man mit und in diesem Ritus heilig werden kann. Allein, er verfügt über ein extrem dünn gehaltenes traditionelles Wurzelwerk in der Liturgiegeschichte. Er entspricht auch nicht dem, was die Väter des jüngsten Konzils wollten. Etwas boshaft könnte man sagen, dass die Liturgiereform noch auf sich warten lässt, während wir immer noch mit einer experimentellen Form herumlavieren. Viele spürten diese allzu dünne Verwurzelung in der liturgischen Tradition sehr deutlich.

So war die Gründung der Piusbruderschaft als ersten altrituellen Gemeinschaft in der Kirche eine logische Konsequenz. Die Tradition wird sich in der Kirche immer Bahn brechen. Da die Kirche in Jahrhunderten denkt, sind dunkele Jahrzehnte kein großes Ding. Doch die Ungeduld, die Angst und der Ungehorsam, jene Untugenden, die schon in der Erbsünde grundgelegt sind, machen sich auch in Menschen breit, die nur das Beste wollen.

Ein Akt gegen die Einheit

Im Jahr 1988 weihte der Gründer Piusbruderschaft Marcel Lefebvre vier Priester zu Bischöfen. Da die Weihe der Bischöfe ohne Zustimmung Roms, wurde diese als ein schismatischer Akt betrachtet. Zudem hatte der Erzbischof kurz zuvor seine Unterschrift unter eine Vereinbarung mit dem Vatikan zurückgezogen, an deren Zustandekommen Joseph Kardinal Ratzinger wesentlich beteiligt war. Die (durchaus gegenseitigen) Verletzungen zwischen Rom und der Bruderschaft waren nicht ohne. Es folgte die von Kardinal Ratzinger unterstützte Gründung der Petrusbruderschaft. Das Argument, man bräuchte die Bischöfe, damit die Tradition überlebt, ist reichlich dünn, denn sowohl die Petrusbruderschaft als auch andere altrituelle Gemeinschaften haben keine eigenen Bischöfe und leben immer noch.

Es war für Kardinal Ratzinger wie eine Lebenswunde, diesen Ast der Kirche so brutal abstrafen zu müssen. Alle vier Bischöfe exkommuniziert, alle Priester der Bruderschaft suspendiert. Allein, eine andere Möglichkeit gab es nicht. Wenn die Lage der Piusbruderschaft derzeit ambivalent ist, dann ist das immerhin kein schlechtes Signal. Sie könnten schon längst vollkommen aus der Kirche gekegelt sein. Man gibt sich dort gerne mal etwas ruppig, als könne einem das nichts anhaben.

Papst Benedikt XVI. holte nicht nur mit dem Motu proprio „Summorum pontificum“ die alte Liturgie wieder in die Mitte der Kirche. Er hob die Exkommunikation der Bischöfe auf, was ihm der inzwischen aus der Bruderschaft ausgeschlossene Richard Williamson übel dankte. Dass die Welt weder „Summorum pontificum“ noch den Akt der Barmherzigkeit gegen die Bischöfe der Piusbruderschaft verstand, ist völlig normal. Die Liturgie der Kirche ist wohl mitten in der Welt, doch da sie nicht von der Welt ist, ist sie der Welt im Kern immer fremd. Der alte Messordo ist weitaus fremder als der Novus Ordo und schon mit diesem fremdelt die Welt ganz ordentlich.

Eine offene Tür

Nun war plötzlich diese Tür zu einer der tiefsten Wurzeln der Kirche offen. Einige Gebete der Liturgie werden sehr nahe an den Aposteln verortet. Zudem so könnte man denken, war seit dem 1. Advent 1969 so viel Zeit ins Land gegangen, dass man mit einer gewissen Milde auf den Versuch der Versöhnung hätte schauen können. Doch die eingefleischten Modernisten in der Kirche nahmen es Papst Benedikt XVI. entsetzlich übel, diese Tür geöffnet zu haben. Und was für eine Tür!

Seit 2007 hat sich eine altrituelle Kultur in der Kirche ausgebildet, die sich selbst weit weg von den Streitigkeiten der 70er/80er/90er Jahre versteht. Viele junge Menschen haben ohne in den Streit um das jüngste Konzil auch nur im mindesten verwickelt zu sein, in der Alten Messe ihre Heimat gefunden. Der theologische Geniestreich von Papst Benedikt von zwei Formen des einen Ritus zu reden, wurde von seinem Nachfolger in der Art eines pastoralen Elefanten im theologischen Porzellanladen leider zunichte gemacht. Nun sind es eben doch zwei Riten. Vielleicht aber auch doch nicht, denn in der Tat ist, wenn auch am grünen Tisch, der Novus Ordo Missae aus dem Missale Romanum aller Zeiten, das heißt aus dessen lebendiger Tradition, hervorgegangen. Der Ordo Missae war nie statisch, er war aber immer in sich konsistent. Vielleicht ist es eben doch eine ordentliche – von einem Papst promulgierte – und eine außerordentliche – von der Tradition bewahrte – Form des einen römischen Ritus. So ganz dumm war der Gedanke von Papst Benedikt wirklich nicht und es war seine Absicht, dass beide Formen einander befruchten. Sie sollten sich nicht bekämpfen, wie es in den Jahren zuvor leider viel zu oft erfolgt war.

Altrituelle scheren sich nicht um TC

Papst Franziskus, der zuweilen den Holzhammer als akzeptables Instrument der Pastoral betrachtet, hat mit seinem Motu proprio „Traditionis custodes“ jedenfalls viel Porzellan zerschlagen. Als wenn sich in einem Klima des kirchlichen Dekonstruktivismus, wo Bischöfe bei einer als synodal bezeichneten Versammlungen verbotene Dialogpredigten halten, junge Priester davon abhalten ließen, den alten Ordo Missae zu erlernen, wenn sie ihn nicht sogar vor Eintritt ins Seminar längst besser können als den Novus Ordo. Als wenn sich altrituelle Menschen jeden Alters davon abhalten ließen, die Alte Messe zu suchen und aufzusuchen. Ja, „Traditionis custodes“ macht vielen das Leben schwer. Andere scheren sich gar nicht darum und die altrituellen Gemeinschaften betrifft es ohnehin nicht, Die Priester der Piusbruderschaft haben noch immer die ihnen im Jahr der Barmherzigkeit erteilte Beichterlaubnis und die werden die Sakramente wohl im Alten Ritus spenden. Zudem, davon kann man wohl davon ausgehen, dass Priester, die die Beichte hören dürfen, wohl kaum suspendiert sein können. Also lebt auch hier – zwar noch in einer unklaren kirchlichen Situation – die Tradition fort. Für Gläubige dürfte es keine Hindernisse mehr geben, bei der Piusbruderschaft die Sakramente zu empfangen. Man kann Bischöfen nur raten, keine allzu harte Hand gegen die Altrituellen zu haben, da die Schwelle zur Piusbruderschaft nicht sehr hoch ist. Damit ist TC am Ende nicht einmal eine lame duck. Es ist ein Ärgernis für alle Priester in diözesanen Strukturen und dies Ärgernis wird man in Zukunft wieder abräumen müssen. Man ahnt, dass es eine Gefälligkeit des Papstes für interessierte Kreise ist, zumal sich der Papst für Liturgie nicht sonderlich interessiert.

Eine Wiederinkraftsetzung von „Summorum pontificum“ ist langfristig unumgänglich, will man nicht erhebliche Teile der derzeit noch aktiven Katholiken vollends ins Abseits schieben. Bis dahin jedenfalls wird sich die die Öffnung von „Summorum pontificum“ eher halten, als die Restriktionen von „Traditionis custodes“. Kluge Bischöfe lassen ihre Tradis laufen und legen ihnen keine Steine in den Weg. Auch da sie Streitigkeiten um die Piusbruderschaft aus den 80er – Jahren so lange her sind, dass die meisten jungen Anhänger der Alten Messe gar nicht darum wissen und sich nicht darum scheren. Trotzdem kann man es verstehen, dass TC Papst em. Benedikt XVI. recht schwer getroffen hat. Am Ende aber wird es „Summorum pontificum“ sein, dass sich durchsetzt und tatsächlich ist das auch nützlich für all jene, die eher im Novus Oredo Missae beheimatet sind, denn wer braucht einen Krieg der Riten oder der Formen. „Summorum pontificum“ war ein Akt der Befriedung und das kann kein Fehler gewesen sein.