Symbolbild

Natürlich ist es ein Einzelfall. Darum ist auch der Bericht sehr persönlich gehalten. Fast fühlt man sich einen Selbstversuch einer Volontärin oder Jungredakteurin erinnert. Doch Ursula Kals ist gestandene Redakteurin der FAZ und Mutter eines Kommunionkindes.

Es geht um die Erstkommunion des eigenen Sohnes. Dafür läßt sich die Journalistin auch mal aus der Rolle fallen und gibt die professionelle Distanz zur Sache auf. Es wird persönlich. Der Sohn erscheint, so wie sie ihn beschreibt, als ein ganz lieber Kerl. Man lernt ihn gerne haben, so wie ihn seine Mutter beschreibt. Die warmen Worte, die sie findet, wird er selber jetzt und später sicher auch noch mögen.

Der Gatte der Kollegin und Vater des Sohnes steht mehr auf Kant als auf katholisch. Das ist keine Ausnahme. Das ist heute der  Normalfall. Vielleicht ist es nicht immer Kant, es kann in anderen Fällen auch ein ganz banaler Vulgäratheismus sein. Aber Kant macht sympathisch, von wegen kategorischer Imperativ oder so. Der ganze Artikel ist ein lesenswertes Zeitzeugnis um ein Thema, das jede Familie mit einer irgendwie gearteten Bindung an die Kirche irgendwann einmal pro Kind ereilt: Die Erstkommunion. Dabei sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß es in nahezu allen katholischen Pfarreien auch im kommenden Jahr wieder eine Erstkommunion geben wird. Eltern von jetzt Zweitklässlern seien gewarnt: Ihr seid die Nächsten! Es wird all das auch Euch mit voller Wucht treffen.

Der Bericht kommt dann auch fast wie eine Warnung daher:

 

So oder ähnlich sieht das also für Eltern aus. „Das Kreuz mit den Kindern und der Kirche“ ist auch ein Kreuz für die Eltern, für die Pfarrer, für die Kinder, für die haupt- und ehrenamtlichen Laien in Katechese und Pastoral sowie last not least auch für die Gemeinden.  Für ein tieferes Verständnis sei hier erneut auf Thomas Frings hingewiesen, der es in seinem Buch „Aus, Amen, Ende?“ deutlich beschreibt. Bei der Taufe versprechen Eltern und Paten, ihr Kind im Glauben zu erziehen.

Zu Beginn der Erstkommunionvorbereitung begegnen die Pfarrer, Kapläne und Katecheten diesen Kindern wieder. Sie waren oft genug seit ihrer Taufe nicht in der Kirche, können kein Kreuzzeichen, kein Vater unser und wissen nichts von Gott, von Jesus. Vom Glauben, den die Kirche lehrt, sind sie in ihrer Biografie verschont geblieben. Manchmal plaudern sie aus, was Zuhause über Glauben und Kirche gesprochen wird. Die meisten aber halten dicht. Die Eltern schärfen den Kindern ein, mit dem Strom zu schwimmen. Derweil bemühen die Eltern sich zum Leidwesen der Verantwortlichen auf den Elternabenden, den Strom auf moderat umzuleiten und zu bremsen. Bloß die Kinder nicht überfordern! Man bringt dem Glauben der Kirche je nach persönlicher Einstellung Gleichgültigkeit bis Verachtung entgegen. Wo noch eine gewisse Wertschätzung herrscht, muß aber auch diese redlicherweise zumeist als distanzierte Wertschätzung angesehen werden.

Thomas Frings hatte es in seiner Zeit als Pfarrer in Münster mit einer Umfrage unter Kommunioneltern herausgekitzelt. Sie wollen, daß die Kinder die Kirche kennen lernen, ein schönes Fest für die Familie und am Sonntag in Ruhe gelassen werden, weil das der einzige Tag ist, wo man mal ausschlafen kann. Das ist eine klare Ansage. Das ist ehrlich so. Auch wenn diese Ehrlichkeit dem Pfarrer weh getan hat. Besser etwas Schmerz in der Einsicht als Dauerleiden in der Praxis. Klar ist die Autorin des Artikels ebenfalls:

Ich bin katholisch sozialisiert, glaube an Gott, weniger an die katholische Kirche und ihr Bodenpersonal – das hat sich langsam ausgeschlichen.

Ein Satz, der den aufmerksamen Leser dankbar innehalten läßt.

Das ist ein Glaube, wie wir ihn in dieser oder ähnlicher Form unserer Tage bei der erdrückenden Mehrheit der Kommunioneltern vorfinden.

Man ist so als in den 60/70ern geborene noch irgendwie katholisch sozialisiert. Vielleicht wurde man ja sogar noch – horribile dictu – zur Beichte gezwungen. Man glaubt durchaus an Gott, irgendwie. Und irgendwie sind wir ja alle katholisch. „Irgendwie“ wird zum wichtigsten Wort dabei. Irgendwie ist das die Diktatur des Relativismus, vor der Papst Benedikt XVI. so eindrücklich warnte.

Ist das aber, so muß man sich bei diesem sonderbaren Credo fragen, der Gott, den die Kirche in ihrem Credo bekennt? Wohl kaum, denn nicht an die Kirche zu glauben, das ist zwar angesagt und irgendwie auch cool und kommt in jedem Falle intellektuell rüber, doch es macht schon ein Ausschlußkriterium fest. Credo […] unam sanctam catholicam et apostolicam ecclesiam. Ich glaube, so heißt es im Credo, die eine heilige katholische und apostolische Kirche. Der Glaube an Gott, wenn es der Glaube an den Gott ist, den das Glaubensbekenntnis der Kirche meint, schließt den Glauben an die Kirche ein. Er kommt im dritten Teil, wo es um den Heiligen Geist geht. Dreifaltigkeit, auweia! Schon wieder so ein Ding. Der Glaube der Kirche ist der Glaube an einen Gott in drei Personen und der Glaube, daß dieser Gott die Kirche gründet, will und erhält. Aber nicht „irgendwie“ sondern sehr konkret.

Die Kirche hat vier Attribute, die sie erst Kirche werden lassen: Einig und heilige und allgemein und apostolisch. Nur wenn eine Gemeinschaft diese vier Attribute für sich positiv aussagen kann, ist sie die Kirche. Über das Bodenpersonal hüllen wir an dieser Stelle den Mantel des Schweigens. Im Credo wird es nirgendwo erwähnt. Im Hochgebet allerdings wird – sehr nahe an der Wandlung, der Kern der Hl. Messe – an prominenter Stelle für eben dieses Bodenpersonal gebetet.  Die Tatsache, daß es trotz Klerus die Kirche seit nahezu 2000 Jahren gibt, ist für sich schon fast ein Gottesbeweis.  Scherz beiseite! Das dreigliedrige sakramentale Amt ist schon zum Ende des ersten Jahrhunderts gut belegt. Das Bodenpersonal ist gewollt, von Gott!
Zugegeben, der Pfarrer, der Kaplan oder der Bischof können gleichwohl eine Pfeife sein oder eine Koryphäe, das ist am Ende egal. Das Amt ist das Amt. Am Glauben ändert es nichts, ob ich meinen Pfarrer mag oder nicht und sei er auch ein geistlicher Rüpel, wie im Artikel beschrieben. Vielleicht ist er ja nur frustriert und der lausigen Diskussionen auf Elternabenden müde. Mit seiner Ruppigkeit hält er sich diese vom Leib. Man muß das nicht gut finden.

Fast noch beeindruckender ist noch der Nachsatz hinter dem Spiegelstrich. Nehmen wir an, wir haben einen ehemaligen Leistungssportler vor Augen, der Mitte 50 korpulent und etwas unbeweglich daher kommt. Aber der war doch mal … ja, Goldmedaille bei Olympia und bis Mitte 30 hat man noch trainiert. Dann hat sich das so langsam ausgeschlichen. Man könnte bei vielen Mittfünfzigern von einer religiösen Disposition reden, die man – wäre sie körperlich – als Alarmsignal auffassen würde. Kaum Bewegung, permanenter Streß, Ernährung nur von Fastfood und das eine oder andere Pölsterchen zu viel. Warum bitte versteht man das im Religiösen nicht als Alarmsignal? Die Seele kann keinen Myokardinfarkt kriegen? Hahaha… Kann sie sehr wohl. Mal nachdenken bitte!

Was hier auf den ersten Blick als dröges kirchliches Gemopper über ein de facto Neuheidentum daher kommt, hat im Grunde aber seinen tieferen Sinn. Es geht um das, was zwischen der Kirche und den Familien der Kommunionkinder rund um die Erstkommunion passiert. Es geht auch um Überforderung der Kirche in Gestalt der konkreten Vertreter der Pfarrei vor Ort.

…, dass die Kommunionvorbereitung die letzte Ausfahrt vor der Autobahn ist …

Eine Metapher, die sehr sprechend ist. Wenn aber die Erstkommunion als letzte Ausfahrt vor der Autobahn wahrgenommen wird, muß man leider sagen, daß das nicht stimmt. Bei der Erstkommunion hat man die letzte Ausfahrt schon lange verpaßt.  Irgendwann in früher Kindergartenzeit oder noch vorher erfolgen die ersten wichtigen Schritte religiöser Sozialisation. Das Kind erkennt in dieser Zeit in etwa, daß die Eltern keine Götter sind. Nur wenn die Eltern dann selber zu erkennen geben – bitte nicht mit Worten sondern mit Taten – wo und wie sie selber Gott in ihrem Leben erkennen, dann hat das Kind eine Chance, wirklich einen lebendigen  Kinderglauben zu entwickeln. Ein Kinderglauben ist etwas ganz anderes als ein kindlicher Glauben, den manche Erwachsene sogar noch pflegen. Man bekommt Mitleid mit der Naivität von Erwachsenen, die mit größtmöglicher Souveränität einen dümmlich daher kommenden kindischen Aberglauben pflegen.

Welch ein Unterschied zu einem selbstbewußt gelebten  aber mit kirchlicher Praxis in aller Demut unterfüttertem Glauben! Das nämlich färbt auf Kinder ab. Das verleitet Kinder dazu, selber Fragen zu stellen. Manche Dinge zunächst als selbstverständlich hinzunehmen, führt erst wirklich zu einem tieferen Verstehen. Nur was ich wirklich kenne, kann ich in aller Tiefe hinterfragen. Und dann wundert man sich trotzdem noch, wenn ein Dreijähriger plötzlich anfängt, das Vater unser mitzupiepsen. Ohne aktives Lernen, ohne Katechese! Doch genau das ist es, was religiöse Sozialisation wirklich ausmacht.

Wer auf die letzte Ausfahrt spekuliert, ist schon längst vorbei gerauscht und das Kind im Sog der Eltern mit.

Und dann ist es völlig logisch, wenn

… die Themen nichts fruchten, die Kinder nicht begreifen, was Beichte bedeutet oder gar Dreifaltigkeit. Es ist fern ihrer Lebenswelt.

Wie Kinder von Eltern, die nicht beichten, die Beichte schätzen lernen. Wie soll ein Kind die Dreifaltigkeit akzeptieren, wenn die Mutter dabei die Stirne runzelt. Ja, diese Themen sind fern der Lebenswelt der Kinder, weil sie fern der Lebenswelt der Eltern sind. Mein Sohn war vier Jahre alt, als er mir mit Fragen zur Dreifaltigkeit erstmals die Schweißperlen auf die Stirn trieb. Das war neben allem anderen, was einen normalen Vierjährigen so umtreibt,  elementarer Bestandteil seiner Lebenswelt. Das hatte seinen Grund in einer alltäglich gelebten und Sonntags gefeierten Glaubenspraxis.

Es bleibt nichts anderes, als erneut festzustellen, daß es zwischen Erstkommunioneltern und er Kirche ein massives Kommunikationsdefizit gibt. Das, was die Mehrheit der Eltern wollen, kann die Kirche nicht liefern. Das, was die Kirche den Kindern geben will, das wollen die Eltern eigentlich gar nicht haben. Vor allem möchten die Eltern nicht geben, was die Kirche voraussetzt, um die Kinder den nächsten Schritt in die Gemeinde zu führen. Nur am Namen der Feier – Erstkommunion – muß bislang unter allen Umständen festgehalten werden.

In diesem Spannungsfeld bewegt sich der gesamte Komplex der Erstkommunion. Noch! Muß man hinzufügen. Denn die Kinder der jetzigen Erstkommunioneltern, die ja die letzte Ausfahrt zur Kirche längst verpaßt haben, werden in zunehmendem Maße für ihre Kinder nach Alternativen suchen. Zum Beispiel wird schon heute der Übergang zur weiterführenden Schule intensiv gefeiert. Das ist eines der Modelle eines säkularen Erstkommunionersatzes. Andere werden folgen. Die säkulare Gesellschaft wird immer weiter nach Formen suchen die Erstkommunion – die man ja als Fest unbedingt beibehalten will – abseits der Kirche zu gestalten.

Wenn das gutzuheißen ist, dann nicht, weil sich die Kirche gesundschrumpfte. Schrumpfen ist dann und nur dann ein Genesungsprozeß, wenn dem eine massive Krankheit vorherging. Das ist nicht erstrebenswert. Doch die Krankheit der Kirche ist die Realität. Die Menschen, die ihr zugehören, leben an der Peripherie der Gemeinschaft eine andere Realität, als die kirchliche. Sie neigen dazu, der Kirche bei nicht vermeidbaren Begegnungen ihre Realität aufzwingen zu wollen. Das wird auf Dauer nicht gehen. Die Inkompatibilitäten werden immer größer.

Dabei erfährt die Kirche durchaus eine große Wertschätzung, die auch den Artikel von Ursula Kals bei aller darin ausgedrückten Hilflosigkeit zu tiefst prägt. Eine solche Wertschätzung erfahren auch Pfarrer immer wieder, wenn erst mal ausdiskutiert ist, daß man um nichts in der Welt jeden Sonntag „in die Kirche rennen wird“. Diese Wertschätzung ist ein Pfund, mit dem man im Vorfeld einer Sakramentenspendung wuchern sollte. Es gibt andere Formen, die dem anderen Grad von Bindung an die Kirche gerechter werden und die den Weg zu neuen Ausfahrten in Richtung Kirche eröffnen können.

Es braucht mehr Ehrlichkeit auf allen Seiten.

Man kann hier eigentlich nur an alle Verantwortlichen appellieren:

  • Gebt den Kindern und ihren Familien das Fest, das sie wollen.
  • Laßt sie als Familie die Kirche und den Glauben gemeinsam kennen lernen.
  • Und solange der Glaube im Leben einer Familie noch keine wirklich zentrale Rolle spielt, laßt sie doch bitte am Sonntag auspennen.

Wenn Punkt drei eingetreten ist, d.h. eine Familie gemeinsam den Glauben für sich entdeckt hat, dann ist der Zeitpunkt für vertiefte Katechese und die Erstkommunion gekommen. Dann kann und darf dieses Fest auch wirklich vom Glauben geprägt werden, weil er relevant ist.

Die Lösung – wie auch immer sie konkret aussehen mag – liegt in einer neuen Art der Familienpastoral und -katechese. Darin steckt ein enormes Potential für die Neuevangelisierung.

 

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Alle Zitate aus:

Erstkommunion. Das Kreuz mit den Kindern und der Kirche
http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/mutter-berichtet-ueber-erstkommunion-ihres-sohnes-14983420.html?printPagedArticle=true
zuletzt abgerufen am 22.5.2017