Ein sehr persönlicher Nachruf auf den verstorbenen Papst Benedikt XVI. 
Papst Benedikt XVI. bei einem Besuch in den USA — Foto: David Mark auf Pixabay

Der Papa emeritus ist heute morgen gestorben. Dieser Tag war von Arbeit geprägt. Nachdenken oder trauern, das fängt jetzt erst an. Nun könnte ich mich in die Reihe derer einreihen, die betonen, wie wichtig Benedikt XVI. für sie war, doch das war er sowieso. Lieber erzähle ich von einer Reihe von Tagen, wo mir der Papst so nahe war, wie nie zuvor und nie danach. Vieles an der Geschichte ist zum Lächeln und das ist gut so. Er wird sowieso heilig gesprochen und zum Kirchenlehrer ernannt. Traurig bin ich, weil er jetzt nicht mehr im Klösterchen da hinten im Vatikan wohnt. Froh bin ich, weil er nun im Hause des Vaters seine Wohnung beziehen wird. Für die Kirche beten kann er hier wie dort, dort jetzt vielleicht sogar besser.

Ein Papst in Social Media

Es ist etwas mehr als elf Jahre her. Im September 2011 kam Papst Benedikt nach Deutschland. Begleitet wurde diese Reise vom ersten Social Media – Projekt, der katholischen Kirche in Deutschland. Als einer von fünf – tertiäres Attribut von … nein, das wäre eine andere Geschichte – war ich an dem Projekt beteiligt. Dass ich, der ich schon für damalige Verhältnisse dem falschen kirchenpolitischen Lager angehörte, dabei sein durfte, war wohl der Tatsache geschuldet, dass man eine positive Darstellung des Papstes zumindest von offizieller Seite wollte. Außerdem hatte es der milliardenschwere Verband der Diözesen Deutschland nicht für nötig erachtet, ein Honorar dafür zu bezahlen. Eine solche Dummheit, für Milliardäre kostenlos zu arbeiten, würde ich heute selbst für den Papst nicht mehr begehen. Und ich bitte ernsthaft darum, es nicht Ehrenamt zu nennen, denn eine Ehre war es eigentlich nicht. Man war eher der nützliche Idiot.

Wenige Tage vor Ankunft des Papstes verstarb mein Vater und ich musste mitten aus der Arbeit heraus in die Heimat fahren, um mit der Familie die Beerdigung zu organisieren. Am Folgetag saß ich schon wieder am PC vor damals schon sagenhaften drei Bildschirmen, um die Ankunft des Papstes vorzubereiten. Der Beerdigungstermin meines Vaters lag zum Glück lange nachdem der Papst schon wieder abgereist sein würde, so konnte ich mich ganz auf die Facebookseite Papst in Deutschland konzentrieren. Der erste Plan, dem Papst zu allen Stationen nachzureisen, scheiterte an der damals sehr eingeschränkten Möglichkeit des mobilen Arbeitens. Zudem wäre gar nicht sicher gewesen, ob man an jedem der Orte Internetzugang hätte erhalten können. Man erinnere sich bitte, wie katholisch.de damals noch aussah. Die damalige Redaktionsleiterin war mit an Bord im Facebook- Team,

Die Redaktion des Portals war damals kurz zuvor von Köln nach Bonn ins Medienhaus der katholischen Kirche umgezogen. Leider war es nicht möglich, dem Team bei einer ersten Besprechung Zugang zum WLAN einzurichten. Diesem Internet traute man doch nicht so recht. Dazu kam noch das Risiko, dem Papst gar nicht schnell genug hinterher zu kommen. So ein Papst reist ja nun recht ungehindert.

Zuhause arbeitet man am besten

Auch der zweite Plan ins Medienhaus in Bonn zu fahren, wo zwei Kolleginnen Quartier bezogen hatten, wurde aufgegeben, denn ich hätte sonst zu viel Technik nach Bonn transportieren müssen, ohne zu wissen, ob es denn überhaupt funktioniert hätte. Welch ein Glück das war, stellte sich schon am ersten Tag heraus, als mich eine völlig aufgelöste Redaktionsleiterin von katholisch.de anrief und mir mitteilte, dass man aus dem Medienhaus der Kirche keinen Zugang zu Facebook oder sonstwie ins Internet mehr hat. Der Grund lag daran, dass es eine einzige Leitung gab, über die nun die Fotografen die Bilder für kna – Bild auf die Server luden. Nichts ging mehr. So war ich allein Selbstherrscher aller Bilder vom Papst auf Social Media. Neben der Aufgabe Posts abzusetzen. Texte anzuteasern und zu verlinken, kamen nun auch noch die Fotos hinzu. Ich bekam einen Zugang zu kna- Bild und den Auftrag zu jeder Station ein paar Bilder zu posten.

Nun könnte man denken, da man für ein Projekt der Kirche arbeitet, bekäme man die Texte des Papstes schon mal vorab unter Embargo. Weit gefehlt! Aber alter Fuchs der ich nun mal war, hatte ich recht bald einen Weg zu den Texten gefunden und konnte alle Reden, Ansprachen, Grußworte des Papstes rechtzeitig vorher lesen und die Postings vorbereiten. Wie? Vergesst es. Ein Magier verrät seine Tricks nicht, sonst kann er nicht mehr zaubern. Jedenfalls war die Kooperation so, wie sie noch heute mit kirchlichen Medienvertretern ist. Die weltlichen Kollegen werden hofiert, umworben und mit Hintergründen gefüttert, je näher man der Kirche steht, umso ferner ist man kirchlichen Pressestellen. (Gilt grundsätzlich – Ausnahmen bestätigen die Regel.)

Er war da – groß und in meinem Büro

Irgendwann landete der Papst und es begann eine Tour Berlin, Erfurt, Etzelsbach und Freiburg. Vom 22. bis zum 25. September 2011 hatte ich den Papst von morgens um 7 Uhr bis Abends um 23 Uhr bei mir im Büro zu Gast. Überlebensgroß stand mir sein Kopf oft genug im Livestream gegenüber. Bevor der Papst sein Programm begann, galt es zu lesen und Bilder auszuwählen. Es galt zu überlegen, was wann gepostet wird. Wie schnell ist die Agentur mit Texten und Bildern, wie schnell sind die Kolleginnen vor Ort. Dann das Programm verfolgen, Essen am Schreibtisch und schlafen wenn Zeit ist.

Angefangen von der Messe im Olympiastadion in Berlin, die Marienvesper in Etzelsbach, die Messen in Erfurt und Freiburg, die Jugendvigil in Freiburg, die zahlreichen Begegnungen und zum Abschluss die grandiose Konzerthausrede. Der Papst war präsent. Und als es dann Montag, 26. September war, galt es den ganzen Tag lang den Papstbesuch nachklingen zu lassen. Es wurde an dem Tag noch das eine oder andere gepostet. Es gab Besprechungen und der Schreibtisch war aufzuräumen. Der Schock kam am Dienstag. Morgens kam ich ins Büro und natürlich lag da Arbeit, es gab ja auch noch anderes als sich für lau von der DBK ausbeuten zu lassen. Aber der Papst war weg. Sein Gesicht auf dem Monitor vor Augen zu haben und seine klugen mit so wunderbar sanfter Stimme vorgetragenen Gedanken, daran konnte man sich gewöhnen.

Wenige Tage später galt es meinen Vater zu beerdigen. Beide Ereignisse sind für mich so untrennbar ineinander verwoben. Nun ist Papst Benedikt gestorben und am Donnerstag der kommenden Wochen wird der Papst ein letztes mal bildschirmfüllend mein Büro dominieren. Es gilt über die Beerdigung zu berichten. Wieder gilt es Bilder und Berichte auszuwählen, Texte zu posten und wieder wird auch das noch eine Weile nachklingen. Die ganze kommende Woche wird noch vom Tod des Papstes emeritus Benedikt XVI, dominiert sein. Auch das wird eine Weile im Bewusstsein präsent sein.

Ein Modernist im besten Sinne

Meterweise Bücher, Aufsätze, Reden, Predigten, Ansprachen, Grußworte, Briefe und last not least ein geistliches Testament sind zu lesen, wissenschaftlich zu bewerten, weiterzudenken. Schülerkreisen und Wissenschaftlern hat er ein reiches Erbe hinterlassen. Er war ein Papst der Zeitenwende. Papst Silvester starb am 31.12. und wurde der Papst einer Zeitenwende. Papst Benedikt starb ebenfalls am 31.12. Auch er läutete andere Zeiten ein. Er trat als erster Papst seit langer Zeit zurück. Er „erfand“ den emeritierten Papst und machte sich damit nicht nur Freunde. (Auch meine Begeisterung darüber hält sich in Grenzen.) Er übersetzte die alte Lehre der Kirche in eine neue Sprache und er war aus dem Alten herkommend sehr wach für die neuen Gefahren. Hier seien nur Relativismus und Verweltlichung genannt. Er öffnete Türen zwischen der alten Liturgie und der neuen Zeit. Vieles mögen wir nicht verstehen. Er machte sich zum Werkzeug des Herrn und zum „Mitarbeiter der Wahrheit“. Nun haben wir die neue Zeit und sein Erbe. Machen wir etwas daraus.

Irgendwann wird er heilig gesprochen und zum Kirchenlehrer erhoben werden. Wir hatten das Glück, ihn hören und sehen zu können. Doch trotz allem Nachklingen seiner Hinterlassenschaft in unseren Köpfen, Herzen und Seelen, bleibt nun noch dies eine zu wünschen:

Ruhe in Frieden, Vater Benedikt.