Bischöfe verabschieden sich in die Unsichtbarkeit. Unverfroren biedert sich eine führen Laienfunktionärin dem Zeitgeist an. Widerspruch kommt nur von engagierten Laien.
Totenkopfschwärmer
Foto: Didier Descouens (CC-BY-SA-4.0)

Als die Präsidentin des „ZdK“ kürzlich in einem Gastbeitrag der Zeitbeilage „Christ&Welt“ flächendeckende Möglichkeiten zur vorgeburtlichen Tötung von Kindern forderte, löste dies durchaus eine innerkirchliche Welle aus. Viele Laien, die sich dem Schutz des menschlichen Lebens verpflichtet fühlen, empörten sich darüber. Nun hat die Lebensschutzbewegung ebenso wie Vertreter gläubiger Katholiken keine große Präsenz in der Presse außerhalb einer eng umrissenen Filterbubble. So weit, so schlecht.

Ein maximal lauwarmes Statement

Es kam ein pflichtschuldiges Statement aus der Pressestelle der Deutschen Bischofskonferenz – allerdings nicht als Pressemeldung über den normalen Verteiler, mithin deutlich unter Radar, mit dem einer weitestgehend uninteressierten Öffentlichkeit mitgeteilt wurde, dass man die Haltung von Frau Stetter- Karp nicht teile. OK. Dort hat man seinen Job hart an der unteren Grenze gemacht. Doch die Kirche lebt nun wahrlich nicht von ihren Pressestellen, auch wenn Pressesprecher den Eindruck erwecken, dies zu glauben.

Da hörte man ausgerechnet von der Vorsitzenden einer Organisation, die bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit das Zweite Vatikanische Konzil im Munde führt, eine solche Unverfrorenheit, da sich doch gerade dieses Konzil in Übereinstimmung mit der ungebrochenen Lehre der Kirche sehr eindeutig zur Abtreibung geäußert hat: „Das Leben ist daher von der Empfängnis an mit höchster Sorgfalt zu schützen. Abtreibung und Tötung des Kindes sind verabscheuenswürdige Verbrechen.“ (Gaudium et Spes, II, Kap. 1, Nr. 51.) Es zeigt sich hier erneut ein Indiz dafür, dass man in Konzilsverteidigerkreisen eher dem „Geist des Konzils“ (=Zeitgeist) folgt als den von den Vätern verabschiedeten Texten. Die „ZdK“- Präsidentin fordert nichts weniger, als die flächendeckende Möglichkeit, ein verabscheuungswürdiges Verbrechen begehen zu können.

Kein einziger Bischof hat sich diesem Postulat mit hörbarer Stimme entgegengestellt.

Das Motiv des Hirten

Das Schweigen der Lämmer, so heißt ein berühmter Film mit Jodie Forster und Anthony Hopkins. Die Lämmer, die nicht schweigen, sind in der traumatischen Erinnerung der FBI- Agentin Clarice Starling, Schafe, die zum Schlachten geführt werden. In ihrer Kindheit lebte die junge Frau kurz auf einer Farm mit Schlachthof. Noch als erwachsene Frau hört sie die Lämmer schreien. Mit der Lösung eines Mordfalles, so findet der diabolisch-geniale Massenmörder und Psychiater Hannibal Lecter heraus, erhofft sich die Agentin, ihr Trauma zu überwinden. Am Ende, so scheint es, schweigen die Lämmer und Lecter schickt sich an, seinen früheren Gefängnisdirektor zu verspeisen.

Nur zu oft taucht in der Kirche das Motiv vom Hirten und von Schafen auf, wenn wir von Bischöfen reden. Aus der biblischen Rede vom guten Hirten und aus alttestamentlichen Motiven leitet sich ein Bischofsbild her, das den Bischof als Hirten und Hüter der Gläubigen ansieht. In dem Bild sind die Gläubigen die Lämmer. Nun hat es durchaus etwas Gutes, wenn – in geistlicher Hinsicht – ein Hüter und Wächter über einem steht und wacht. Das Bild der Laien als Lämmer hingegen auf den gewöhnlichen Alltag zu beziehen, wäre übergriffig und unangebracht. Im Gegensatz zu den geistlichen Herren, die sich dem Lehren, dem Leiten und dem Heiligen des Gottesvolkes zu widmen haben, ist der Laie der Fachmann für den Weltdienst.

Die Stellvertretung

Der Hirtendienst ist nicht zuletzt auch ein Akt der Stellvertretung und damit ein Aspekt, der dem geistlichen Amt zu eigen. Stellvertretend für das Volk betet der Klerus das Stundengebet der Kirche. Das heißt, es ist nicht das Brevier des Priesters, sondern im Brevier des Priesters manifestiert sich das Gebet der ganzen Kirche. Der Priester, der Pfarrer ist, hat die Pflicht, an jedem Sonntag eine Heilige Messe für seine Pfarrei zu applizieren. Während die Mehrheit der Bischöfe vor zweieinhalb Jahren die Sonntagspflicht für die Gläubigen ausgesetzt und zum größten Teil nicht wieder eingeführt haben, gilt die Applikationspflicht für Pfarrer fort.

Dem Klerus eines Bistums steht der Bischof vor. Hier zeigt sich das Motiv des Hirten in einer der Insignien seines Amtes ganz besonders: im Hirtenstab. Dieser Stab erfüllt zugleich den Zweck, Stütze auf dem Weg mit den Schafen zu sein und mit Hilfe des Stabes den Schafen auf dem Weg Leitung zu geben. Der gute Hirte braucht seine Schafe nicht mit Prügeln zu lenken, vielmehr kann er mit dem Stab sanft den Weg weisen. Der Psalm 23 sagt sogar, dass der Stab des Hirten dem Schaf Zuversicht gibt. Es ist erlaubt, an dieser Stelle zu fragen, wer derzeit angesichts seines mit Pontifikalien auftretenden Bischofs so etwas wie Zuversicht empfindet.

Symbole der Feigheit

Die Hirten, die Bischöfe der Kirche, haben sich zu Symbolen der Feigheit, der Ratlosigkeit und der Resignation entwickelt, die alles verbreiten, aber ganz sicher keine Zuversicht. Das Fanal des Vertuschens von Straftaten – meist der Vorgänger aber auch einiger amtierender Bischöfe – schwebt über den Kathedralen und den Mitren. Es ist nichts weniger als das lähmende Gift der Todsünde. Dabei trifft es gerade die, die das Gegenmittel gegen dieses Gift in ihren Händen halten sollten. Wir lernen schon als kleine Kinder, dass der Heiland am Kreuz für unsere Sünden gestorben ist und uns erlöst hat. Wir lernen, dass wir in der Beichte jede Sünde – auch die allergrößte Todsünde – vor Gott bringen können und so wir denn Reue empfinden, Vergebung erlangen können. Dazu wird uns eine Buße auferlegt, die er Schwere der Tat entspricht. Wo bleiben Reue, Umkehr und Buße und die damit zu erlangende Vergebung für die Fußlahmen Hirten?

Eine Todsünde – und ich gehe wahrlich davon aus, dass das Vertuschen von sexuellem Missbrauch gleich eine ganze Fuhre Todsünden beinhaltet – vergiftet die Seele, darum heißt sie so. Die Hirten leben nicht mehr, sie vegetieren angstvoll traumatisiert dahin. Welch ein (scheinbarer) Triumpf des Widersachers. Die Lämmer schreien, weil sie geistlich verhungern und es zum Teil nicht einmal ahnen, was fehlen könnte. Und die Hirten schweigen. Nein, sie schweigen nicht, sie faseln von Reformen der Kirche und verbünden sich mit Protagonisten des Zeitgeistes. Sie schwadronieren von einer Änderung der Lehre in Fragen des Glaubens und der Sitten. Welch eine Hybris! Vielleicht muss die Buße wirklich lauten, dass der eine oder andere Hirten seinen Hirtendienst im Bußschweigen in einem kontemplativen Kloster verrichtet, will er seine Seele retten. Dann soll es so sein. Die geistlichen Väter mögen entscheiden.

Ein Gruß von Hannibal

Die Gläubigen kehren derweil in dieser unversöhnt vergifteten Atmosphäre verirrt und verwirrt zu Hunderttausenden der Kirche den Rücken und blicken in die Augen betroffen schweigender Hirten, die mit sich selbst und einer stetig an Macht gewinnenden Funktionärskaste beschäftigt sind. Wer soll denn eine solche Kirche noch ernst nehmen? Ein tatsächlich nicht geringer Teil der Ausgetretenen tritt nicht aus Mangel an Glauben aus, sondern weil sich die Kirche so sehr dem Zeitgeist anbiedert. Man schweigt betroffen und widmet sich dem nächsten pastoralen Reformprojekt. Derweil geht die Abstimmung mit den Füßen voran.

Und wenn der letzte Missbrauchsbericht geschrieben ist, der letzte Pastoralplan erarbeitet wurde, wenn der letzte verdächtige Priester aus dem Amt gejagt ist und wenn der letzte Bischof durch Laieninvestitur ins Amt gekommen ist, dann klingelt im Bischofshaus das Telefon und eine nach Hannibal Lecter klingende Stimme fragt, ob nun die Lämmer endlich schweigen.

Ja, sie schweigen, denn es werden keine mehr da sein.

Sie werden die Kirche aus dem Credo gesucht und gefunden haben.
Klein, verfolgt, im Untergrund …? Wer weiß das schon.