Jetzt habe ich die heiß diskutierte Papstrede zum Abschluss des Missbrauchsgipfels doch noch gelesen. So richtig gerne habe ich es nicht getan, denn eigentlich ist es vertane Zeit. Es leuchtet durchaus ein, warum vom Konservativen bis zum Kirchenrevoluzzer alle irgendwie enttäuscht sind. Doch man muss einwenden, der Papst hat kein Wort gesagt, dass man als unwahr ansehen kann. Das der Kirchenrechtsprofessor Schüller gleich das Ende des Pontifikats verkündet, weil Franziskus nun definitiv nicht als Reformpapst in die Geschichte eingehen wird, hat zumindest für ein Schmunzeln gesorgt. Es gibt aus dem Kreis prominenter Linkskatholiken auf Facebook sogar Austrittsdrohungen, die allerdings wohl erst nach Eintritt in den Ruhestand zu erwarten sind. Sein wohldotiertes kirchliches Pöstchen mag man denn doch nicht aufgeben.
Von Links bis Rechts im ganzen Spektrum ist große Unzufriedenheit festzustellen. Was steckt nun hinter dieser umstrittenen Papstrede? An der Quelle findet man das klarste Wasser, darum hier der Originaltext, wie ihn das Presseamt des Heiligen Stuhls in deutscher Sprache zur Verfügung stellt als *pdf zum Download.
Kein Reformpapst
Der Papst hat weder den Zölibat abgeschafft noch die Frauenweihe postuliert und er hat schon mal gar nicht das Hohelied der Homosexualität gesungen. So ein Mist aber auch. Die Kirchenveränderungsagenda der WisiKis und Co muss immer noch warten. Der Skandal um klerikalen Päderasmus taucht eben nicht dazu, die Kirche zu dekonstruieren.
Der Papst hat allerdings auch nicht erwähnt, dass nach Informationen der Glaubenskongregation 80% der Opfer männliche Kinder und Jugendliche sind. Erst jüngst hat Kardinal Müller noch darauf hingewiesen, dass der Glaubenskongregation diese Zahlen vorliegen. Der reine Zahlenwert an sich ist zu erdrückend für Zufall. Diese Tatsache genauer zu untersuchen, wäre sicher kein Fehler. Bedenklich ist, dass dies auf dem Gipfel wie auch in der Papstrede nicht einmal als Frage eine Rolle spielte.
Den größeren Rahmen aufzuzeigen, das weltweite Problem des sexuellen Missbrauchs in Familien, Vereinen, Sport und vielen anderen Umfeldern zu umreißen, die Pornografie deutlich zu nennen, das alles finde ich richtig. Das Postulat an die Staaten den Zugang zu Pornografie vor allem für Kinder und Jugendliche einzuschränken, ist ganz klar und richtig. Es macht ja die Einordnung in den weltlichen Kontext im Grunde noch einmal viel deutlicher, welch eine Katastrophe der sexuelle Missbrauch durch Seelsorger an ihnen anvertrauten jungen Menschen ist. Das ist der Gipfel und das kann zu Recht, bei aller notwendigen nicht laut genug betont werden. Es wird dem Papst zu Unrecht als Ablenkung angekreidet, diese Einordnung vorgenommen zu haben.
Auch die geistliche Analyse, dass der sexuelle Missbrauch böse ist und im Bösen seine Wurzel hat, ist valide und nachvollziehbar. Es wäre dem Grunde nach nicht denkbar, diesen Schritt der Analyse auszulassen.
Keine Konsequenzen
Was fehlt sind in der Tat konkrete Maßnahmen. Ein Strafenkatalog, die Ankündigung das Kirchenrecht und die Rechtspraxis auf bestehendes Recht zu prüfen, Anwendungsrichtlinien zu erarbeiten. Wo nötig wäre ggf. das eine wie das andere einschlägig zu überarbeiten, wenn Rechtsunsicherheiten oder Schlupflöcher bestehen. Weltweite Standards für Personalakten für Kleriker. Standardisierte, transparente Dokumentation von Ermittlungsverfahren, um sowohl für Opfer als auch für Verdächtige Rechtssicherheit zu schaffen. Das und einiges mehr fehlt.
Es hätte konkreter und praktischer werden dürfen. Natürlich ist solch ein synodaler Gipfel kein gesetzgebendes Organ. Doch klar umrissene Arbeitsaufträge an die Kurie hätten – als Destillat aus der Beratung – vom Papst in der Abschlussrede klar und deutlich formuliert werden müssen. Dass dies fehlt, lässt ernste Zweifel an der Relevanz des Gipfels aufkommen.
Auch wenn das Urteil hart klingen mag, es war die ganze Konferenz und auch die Abschlussrede ein populistisches Event des Synodalismus dieses Pontifikats. Das Event bleibt voraussichtlich ohne jegliche positive Wirkung für die Kirche. Es sind, wie nach jeder der Franziskussynoden fast alle enttäuscht von den Ergebnissen.
Ein großer Wurf sieht anders aus. Eine große Katastrophe allerdings auch.