Reinhard Kardinal Marx

Schon mehrfach war von Kardinal Marx zu hören, die AfD sei für Christen nicht wählbar. Selten so einen Blödsinn gehört. Natürlich ist die AfD auch für Christen wählbar. In einer Demokratie gilt auch für Christen, daß jede Partei, die es auf den Wahlzettel geschafft hat, wählbar ist.
Sorry, Eminenz, das war daneben und hat dem eigentlich guten Anliegen einen Bärendienst erwiesen.

Es erinnert doch nur allzu sehr an die Zeiten, als rechtzeitig zum Wahlsonntag in Hirtenbriefen und pfarrherrlichen Donnerpredigten klargestellt wurde, daß die Partei mit dem „C“ zu wählen ist. So weit, so gut. Oder eben auch so schlecht, denn es verblieb immer ein schales Gefühl, daß es da womöglich gemeinsame politische Interessen gegeben hat. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt.
Diese Zeiten, so dachte man seien vorbei. Weit gefehlt, denn sie kehren als negative Maske zurück. Heute heißt es nicht, wählt unbedingt die, heute heißt es, wählt die nicht. Und was ist mit den Linken oder mit den Grünen? Darf ein Christ die Wählen. Im Gebetbuch meines Großvaters fand ich die Warnung: Katholischer Mann hüte Dich vor der Sozialdemokratie … Gilt das noch?
Die pauschale Aussage des Kardinals bezüglich der Unwählbarkeit der AfD ist also nicht sonderlich hilfreich. Im Gebetbuch meines Großvaters war der Grund der Warnung von der Sozialdemokratie, daß sie den Umsturz planen und den Kaiser absetzen wollen. Pech nur, daß der Kaiser zu der Zeit schon seit mehr als 10 Jahren Geschichte war. Vor den Nazis wurde nicht gewarnt. Es gab sie bei Drucklegung des Buches noch nicht als nennenswerte Kraft.

Und spätestens jetzt sollte auch dem letzten Trottel klar sein, warum die Warnung des Kardinals vor der AfD mindestens genauso schwachsinnig ist, wie die Warnung Ende der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts vor der Sozialdemokratie. Was nützt das denn, so darf man zu Recht fragen.
Es braucht nicht solche wirklich dumpfbackig daher kommenden Warnungen vor aktuellen Zeitgeschehen. Damit macht man sich doch nur zum Kumpan der aktuell regierenden Kraft. Es darf doch durchaus hinterfragt werden, ob ein Christ seine Zustimmung zur Politik der derzeit amtierenden Regierung geben kann. Darf man massive Rechtsbrüche einer Regierung, die zum Teil sogar von ehemaligen Verfassungsrichtern in Gutachten festgestellt sind, als Christ – gar als Kardinal – widerspruchslos dulden?
Weder die Warnung vor der AfD noch eine eventuelle Warnung vor roten, grünen oder sonstwie gefärbten Kräften in der Politik ist die Aufgabe der Hirten. Politik ist Weltdienst der Laien, mithin darf man in Frage stellen, ob ein Bischof sich da überhaupt einzumischen hat. Aufgabe der Hirten ist es, das Volk zu lehren. Das heißt ganz konkret, es wäre wünschenswert, wenn die Bischöfe mal festhalten würden, was denn aus ihrer Sicht nötig ist zu tun in einer Gesellschaft in unserer Zeit. Mehr noch, man könnte das – da wäre echtes Potential für einen großen Dialog – mal in Form eines Wahlprüfsteins festhalten, woran sich der Christ in der Wahlkabine zu orientieren hat. Das würde dann nämlich die moralische Komponente der Mitverantwortung eines jeden Wählers für die Regierungspolitik im Land wirklich ernst nehmen.

Man braucht vermutlich keine Angst zu haben, daß dabei unterm Strich eine Wahlempfehlung für die AfD rauskäme. Für die gegenwärtige CDU würde so etwas vermutlich ebenfalls nicht sprechen. Insgesamt geht es ja gar nicht darum, einen kurzfristigen Erfolg zu erzielen. Auf lange Sicht könnte so ein Projekt dazu führen, daß sich Parteien, die auf Christen als Wähler abzielen in ihrer Programmdiskussion an so etwas orientieren.
Wir reden so viel darüber, wie die CDU ihr „C“ wieder neu verdienen könnte. Hier wäre eine Chance und zudem noch ein Feld für aktive Mitwirkung der Bischöfe. Doch das erfordert natürlich etwas mehr als in die Mikrofone zu knurren, die AfD sei unwählbar für Christen.
Was wählbar ist und was nicht, das wird der mündige Laie und demokratische Staatsbürger schon selber herausfinden. Eine Bevormundung, das sollte sich bis in barocke Palais herumgesprochen haben, führt da eher zum Gegenteil.

Die AfD mag sich für die Unterstützung in München oder in Bonn bedanken. Das war leider kein Glanzstück.