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Bild: Gemeinfrei

Fast schien es, als bliebe die Schlußerklärung des Internationalen Kongress‘ „Das Konzil eröffnen“ völlig unbeachtet. Eine gewisse Polemik läßt sich bereits am Titel der Veranstaltung nicht übersehen. Zum 50. Jahrestag der Beendigung des II. Vatikanischen Konzils hatte sich Theologen in München versammelt, um einen Kongress abzuhalten. Am Ende wurde diese Schlußerklärung veröffentlicht.  Es handelt sich von der Form her um eine Forschungsagenda. Was soll die Theologie in den kommenden Jahren bearbeiten? Welche Schwerpunkte sollen gesetzt werden? Was soll erreicht werden? Ein solches Agendasetting ist zunächst einmal nicht verwerflich und dient dazu, Forschung gezielt voran zu treiben. Vergleicht man die o.g. Schlußerklärung mit dem vor rund fünf Jahren ebenfalls von Theologen veröffentlichten Memorandum, so liegt hier nun eine Erklärung vor, die geradezu einen Ausbund an Seriösität darstellt. Letzteres erklärt dann wohl auch das öffentliche Desinteresse. Dieses Desinteresse der Öffentlichkeit, besonders natürlich der Medienwelt, führt nur zu deutlich vor Augen, welchen Stellenwert die wissenschaftliche Theologie in unserer Gesellschaft hat. Die Bedeutung der Theologie für gesellschaftliche Debatten geht augenscheinlich gegen Null. Zu sehr ist die theologische Wissenschaft in sich selbst und in den selbstgebauten Elfenbeintürmen gefangen.

Fragt man in seinem persönlichen Umfeld einmal nach, welcher berühmte deutsche Theologe einem Freund/ Bekannten einfällt, so ist zumeist Schweigen im Walde. Ein Wirtschaftswissenschaftler, ein Philosoph, ein Physiker fällt da schon mal leichter ein. Das ist bezeichnend. Bezeichnend ist auch die Tatsache, daß es keinem Theologieprofessor mal gelungen ist, ein wirklich bedeutendes auch über die Grenzen der Kirche hinaus beachtetes Buch zu veröffentlichen. Man bleibt unter sich, man schreibt unter sich. Dabei kann es wahrlich nicht an der Zahl der publizierten Bücher liegen. Natürlich schreibt ein Fachwissenschaftler primär für sein Fach. Fachpublikationen dienen vorrangig dazu, Forschung und Lehre voran zu treiben. Dennoch ist es nicht unwichtig, Forschungsergebnisse auch auf allgemein verständliches Niveau herunter zu brechen.

Noch dramatischer allerdings ist die Trennlinie zwischen wissenschaftlicher Theologie und dem Lehramt der Kirche. Überspitzt könnte man sagen, man braucht die wissenschaftliche Theologie zwar um den Nachwuchs auszubilden, hält sie sich ansonsten weit vom Leibe. Wer selber Theologie studiert hat, kann das nachvollziehen, denn eines vermag die zeitgenössische Theologie nur in wenigen Ausnahmefällen: Den persönlichen Glauben zu untermauern und zu vertiefen.

Als wäre es für einen jungen Menschen schon nicht ohnehin schwer genug, etwas so existentielles wie den persönlichen Glauben auf den wissenschaftlichen Prüfstand zu stellen, muß sich der junge Theologiestudent mit wild wuchernden Thesengeflechten herum schlagen, die oft genug kaum nachvollziehbar sind und zudem noch der Lehre der Kirche diametral gegenüber stehen. Was soll ein Priesteramtskandidat denken, fühlen und in sein Leben integrieren, wenn ihm an der Universität der Zölibat madig gemacht wird, auf den er sich im Konvikt vorbereiten muß, um schließlich Priester werden zu können. Das ist nur ein augenfälliges Beispiel. Nicht selten werden Dogmen der Kirche in Vorlesungen dekonstruiert und der Student steht vor dem zerlegten Scherbenhaufen, den ihm weder der Dozent noch ein geistlicher Begleiter wieder zusammensetzt.

Das Studium der Theologie soll junge Menschen dazu befähigen, einen Beruf auszuüben, der zunächst grundsätzlich immer im Zusammenhang mit dem Verkündigungsauftrag der Kirche steht. Dabei ist es primär gleichgültig, ob es sich um den Weg zum Priesteramt, zum Gemeinde- oder Pastoralreferent, zum Religionslehrer oder zum wissenschaftlichen Dienst handelt. Die Ämter und Dienste in der Kirche sollten immer ineinander greifen und ein Dienst an der Verkündigung sein. Wie kann das gelingen, wenn im Studium der Glaube nicht im Sinne der Kirche gelehrt wird, sondern in sich widerstreitenden Thesen in und um Elfenbeintürme kreist.

Papst Franziskus hat es bei seiner (nur in Papierform ausgeteilten) Ansprache an die deutschen Bischöfe bei deren jüngsten Ad Limina Besuch so ausgedrückt:

Wie ein treu sorgender Vater wird der Bischof die theologischen Fakultäten begleiten und den Lehrenden helfen, die kirchliche Tragweite ihrer Sendung im Auge zu behalten. Die Treue zur Kirche und zum Lehramt widerspricht nicht der akademischen Freiheit, sie erfordert jedoch eine Haltung der Dienstbereitschaft gegenüber den Gaben Gottes. Das sentire cum Ecclesia muss besonders diejenigen auszeichnen, welche die jungen Generationen ausbilden und formen.

Damit steht der Papst durchaus kontrovers zu dem Anspruch deutscher Theologen, ein eigenes Lehramt bilden zu wollen. Insbesondere dieses Anliegen beurteilt Bischof Dr. Stefan Oster kritisch und fragt:

Frag zum Beispiel drei Theologen derselben oder auch verschiedener Fachrichtungen zur Bedeutung einer einzigen Bibelstelle und du bekommst in der Regel wenigstens sechs verschiedene Ansichten dazu! Lehramt der Theologie?! Und als ich für eine einfache Einführungsveranstaltung in die Glaubenslehre als Basistext für die Diskussion schlicht den Katechismus der Kirche benutzte, galt das anderen Kollegen selbstverständlich als der Unwissenschaftlichkeit verdächtig. Lehramt der akademischen Theologie?

Ein berechtigter Einwand ist dies. Dabei zeigt sich Bischof Oster als Theologe durchaus diskursfreudig. Da gibt es keine Berührungsängste mit steilen Thesen und möglicherweise abwegig erscheinenden Gedankengängen. Wissenschaft lebt geradezu davon, Ideen zu entwickeln, zu diskutieren und zu erproben. Jede Diskussion, die Gedanken anderer in großer Tiefe durchdenkt, bringt neue Erkenntnisse. Jede Falsifizierung einer Theorie bringt die Wissenschaft voran. In seinem Amt als Bischof jedoch sieht er sich in der Pflicht, dem oben genannten Anspruch von Papst Franziskus nachzukommen. Und da ist es eben die Aufgabe, das sentire cum ecclesia – bei aller Achtung vor der freien Wissenschaft – in Forschung und Lehre einzufordern.

In seinem Einwand gegen die Schlußerklärung der Theologen verteidigt Bischof Oster das Lehramt der Bischöfe gegen den Anspruch auf ein Lehramt der akademischen Theologie. Allein die Vorstellung, Wissenschaft könne ein Lehramt ausbilden, muß jedem Wissenschaftstheoretiker einen Schauder des Grusels über die Rücken jagen. Könnte es eine orthodoxe Physik geben? Könnte es ein Lehramt der Wirtschaftswissenschaften geben? Es erscheint unerklärlich, wie ausgerechnet Theologen auf eine solche Idee kommen können. Es zeichnet ein geradezu jämmerliches Bild von Wissenschaftlern, sich nur noch im eigenen Elfenbeinturm hinterfragen lassen zu wollen.

Natürlich gibt es in der Theologie eine Sondersituation. Die Kirche ist keine weltliche Einrichtung. Als göttliche Stiftung hat sie in den vergangenen Jahrhunderten unter Leitung des Heiligen Geistes ihr Lehrgebäude errichtet, in dem die Kirche die ihr anvertraute Wahrheit bewahrt. Dazu gehört eben auch das sakramentale Amt und die Aufgabe des sakramentalen Amtes diese Wahrheit zu tradieren. Das ist kein statischer Vorgang. Gott ist kein Gott der Toten und so ist auch die Wahrheit eine lebendige Wahrheit, die wachsen darf und wachsen muß. Der Bischof ist es, dem hier nicht nur das Hirten- sondern auch das Wächteramt anvertraut ist. Damit ist der Vorrang des ordentlichen Lehramtes vor der akademischen Theologie evident.

So ist also, das muß dankbar feststellen, die Schlußerklärung der Theologen nicht ohne eine kontroverse Rezeption in der Welt verblieben. Als erster Bischof hat der Bischof von Regensburg auf die Erklärung reagiert. Es folgte auf Facebook ein Statement von Bischof Oster. Des weiteren haben sich die Theologen Magnus Striet und Eberhard Schockenhoff, später dann noch Ludger Schwienhorst-Schönberger und Hans‐Joachim Höhn geäußert.

So kommt es also nun in Gang. Es bleibt zu hoffen, daß damit das Ende nicht erreicht ist, denn die Agenda, welche in der Schlußerklärung aufgezeigt wird, weist Licht und Schatten auf. Gute Gedanken und schräge Ideen stehen unverbunden nebeneinander. Das ist ein diskursiver Fehdehandschuh, welchen aufzunehmen man sich weder als Bischof noch als Wissenschaftler scheuen sollte. Des Chronisten Pflicht ist es, zu dokumentieren und zu kommentieren. Das sollte, im Sinne der Theologie, dann aber bitte auch wirklich geschehen.

 

Die einzelnen Texte selber zu lesen, lohnt sich.

Hier eine Aufstellung

Schlusserklärung des Internationalen Kongresses „Das Konzil ‚eröffnen‘“

Bemerkungen von Bischof Rudolf Voderholzer zur Schlusserklärung des Internationalen Kongresses „Das Konzil ‚eröffnen‘ “ vom 8. Dezember 2015

Bischof Stefan Oster – Wozu welche Theologie? – Einige Gedanken zu einer aktuellen Debatte

Eberhard Schockenhoff und Magnus Striet – Sind die Gedanken frei?

Ludger Schwienhorst-Schönberger – Ohne Titel

Hans‐Joachim Höhn – Theologie und Lehramt – eine karnevaleske Rückmeldung

Alle Links abgerufen am 10.2.2016