Der synodale Weg schreitet voran. Damit schreitet auch die Dekonstruktion des Glaubens voran. Wer den Glauben der Kirche teilt, stört eigentlich kaum noch. 
Vierzehnheiligen
In Vierzehnheiligen tagte die DBK zu ihrer jüngsten Vollversammlung
— Bild von André Beer auf Pixabay

Die Reformagenden der diversen selbsternannten katholischen Reformbewegungen sind seit Jahrzehnten dieselben. Die Rituale waren für viele Jahre auch immer dieselben. Die Bischöfe wiesen die diversen Postulate – nicht unbedingt im Brustton gläubiger Überzeugung – mit einem Fingerzeig auf Rom zurück. Wir dürfen das ja gar nicht entscheiden, also wollen wir es auch nicht diskutieren, so der Tenor. So liefen also die Publikforanden und WisiKisten wieder und wieder vor schnell hingeräumte spanische Wände, die nach Ende der Versammlung, z.B. eine Tagung der Bischofskonferenz, fix wieder ins Depot wanderten. Das Feld der Veröffentlichten Meinung überließ man selbstzufrieden den selbsternannten Reformern. Diese fanden natürlich vor allem in der säkularen Presse ihre Kanäle.

An die Unis ist katholisch anders

Lange schon war bekannt, dass die akademische Theologie an vielen Orten, auf vielen Lehrstühlen und auf sehr vielen Feldern so gut wie keine Kongruenz mit dem Lehramt der Kirche mehr aufweist. Generationen von Bischöfen haben ihre Priester an Universitäten ausbilden lassen, wo gegen ihr eigenes Lehramt gelehrt wurde. Konsequenzen? Vorerst keine. Es lief ja alles. Die Traditionen in den Gemeinden hielt vieles zusammen.

Inzwischen ist die Theologie wider das Lehramt im Lehramt angekommen. Da wundert es nicht, wenn sich plötzlich der Zeitgeist emanzipiert und zum neuen Evangelium wird. Da wundert es nicht, wenn plötzlich das sechste Gebot aus dem kirchlichen Arbeitsrecht getilgt wird. Da wundert es nicht im geringsten, wenn der Irrtum von gestern die Wahrheit von heute ist.

Wo war der Kipppunkt?

Wenn man einen Kipppunkt ausmachen kann, dann etwa um das Jahr 2010 herum, als der Skandal um den sexuellen Missbrauch von Klerikern an überwiegend männlichen Jugendlichen ruchbar wurde.

Neben der Theologie, die sich immer weiter vom Lehramt entfernt, muss man noch eine zweite Schiene betrachten. Bereits in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts kamen vereinzelt Gerüchte auf, dass es wohl in Irland und in den USA dramatisch viele Fälle von sexuellem Missbrauch von Klerikern an männlichen Jugendlichen gebe. Damals wurde das intern gemunkelt und Kleriker, die in Bistümern leitende Aufgaben hatten, sprachen es zwar nicht laut aus, aber hinter vorgehaltener Hand konnte man von dem einen oder anderen hören, dass diese Welle auch über Europa und über Deutschland hinwegschwemmen wird.

In den späten 60ern und den frühen 70er Jahren gab es eine Entwicklung im damaligen linken Mainstream, die auch die sogenannte Pädosexualität vollkommen legitimieren wollte. Flankiert von sogenannten Wissenschaftlern, die sexuelle Gewalt gegen Kinder als Verbrechen ohne Opfer bezeichneten, weil den Kindern angeblich durch sexuelle Handlungen kein Schaden entstehe, setzte sich eine Politik durch, die den sexuellen Missbrauch an Kindern aus dem Strafgesetz tilgte. Neben einem feigen Wegducken katholischer Oberer, die es hätten besser wissen können, gab es als zweites Problem das mangelnde Strafrecht als Schutzschild für die pädosexuell aktiven Kleriker.

Heute pfui – damals hui

Auch das gehört zur Wahrheit dazu: Was heute von dem einen oder anderen linksgerichteten Politiker oder Kirchenlaien lautstark angeprangert wird – zum Zwecke der Durchsetzung kirchenpolitischer Ziele – ist aus eben diesen Kreisen von fünfzig Jahren versucht worden, komplett zu legitimieren. Für den Episkopat ist das keine Ausrede, jedoch gehört es zu einer sachgerechten Einschätzung der pädosexuellen Taten von Klerikern und deren mangelhafter Verfolgung. Die Komplexität der Sachlage macht es so einfach für die selbsternannten Reformer, die Vorfälle heute zu skandalisieren und zugleich für eigene Reformziele zu nutzen. Perfide ist dabei, dass die Sexualmoral ausgerechnet deshalb abgeschafft werden soll, weil ihre Nichtbefolgung zu sexuellen Straftaten geführt hat. Viel diabolischer geht es nicht.

Ausgehend von Jahr 2010 und dem im Jahr 2011 erfolgten Memorandum, das inhaltlich eine Katastrophe darstellt, von den Medien aber bis zur Grenze gehypt wurde bis hin zur jetzigen Unterschriftenliste für eine angstfreie Kirche zieht sich ein roter Faden durch die jüngere Kirchengeschichte in Deutschland, der zielgerichtet auf eine Spaltung hinausläuft. Konnte eine Petition pro Ecclesia (PPE) noch 15.000 Unterschriften bekommen, hat die Initiative Neuer Anfang gerade noch 6000 erhalten. Zum Vergleich: Die queer motivierte Reformpetition für eine Kirche ohne Angst erhielt 118.000 Unterschriften. Das zeigt vor allem eines: Neben der medialen Unterstützung, die Projekten gläubiger Katholiken fehlt, gibt es im Kreise der Gläubigen einfach eine kirchenpolitische Resignation, die sich aus Hoffnungslosigkeit speist.

Resignierte Gläubige

Diese Resignation ist nicht nur nachvollziehbar, sie besteht zu Recht. Wollte Robert Zollitsch als Vorsitzende der DBK die Unterschriften der PPE nicht annehmen und begründete dies, man mache sich sonst damit gemein, zeigte Georg Bätzing wenig Berührungsängste mit der queer motivierten Petition und nahm vor den Kameralinsen der Medien die Unterschriften an. Wer will sich denn kirchenpolitisch noch aus dem Fenster hängen, wenn die Bischöfe ihre Ablehnung so deutlich machen.

Auf eine Frage zum Weltfamilientag antwortete Georg Bätzing auf der Abschluss- PK, man hindere niemanden daran, der sein Leben nach der Lehre der Kirche ausrichten wolle. Dass er damit auf eine Lehre abhob, die er gerade selber auf dem synodalen Weg ändern will, mag er vielleicht gar nicht kapiert haben. Es zeigt jedoch eine wirklich sagenhafte Gleichgültigkeit des deutschen Episkopats gegenüber glaubenstreuen Katholiken. Die brauchen uns nicht mehr. Der Laden funktioniert inzwischen anders.

Da fällt kaum noch ein Sack Reis

Diese Gleichgültigkeit hat vor allen einen Grund: Wenn die selbsternannten Reformkatholiken einen geistigen Furz von beliebiger intellektueller Flachheit lassen, bekommen sie eine Schlagzeile. Macht eine glaubenstreue Bewegung einen Kongress oder ein Symposium mit wirklich klugen Beiträgen, so ist das für die Medien der berühmte ostasiatische Sack mit heimischem Getreide, der der Schwerkraft folgend seine Lage ändert. Es fehlt eine professionelle Strategie, die zuweilen auch mal eine Partisanenstrategie sein darf. Fünf Leute von einer selbsternannten Reformtruppe, die einen Gottesdienst stören bekommen die Headline, 5000 Katholiken auf einen exzellenten Kongress erhalten nicht einmal die Randspalte. Da liegt der Kern des Problems. Bischöfe sind heute zu einem großen Teil von Kommunikationsexperten gesteuert und hören auf deren Rat. Man gibt denen eher nach, die lauter klappern.

Wenn sich also die glaubenstreue Klientel in der Kirche nicht professionalisiert und nicht in die Lage versetzt, ihren Bischöfen schmerzhafte öffentliche Stiche zu versetzen, wird man immer nur zu hören kriegen, man hindere ja niemanden. Im Gemeindealltag ist das Gegenteil der Fall. Auch das gehört zur Wahrheit. Wer das ändern will, sollte schon mal die Geldbörse bereithalten. Die konservativ- katholische Zukunft wird professionell sein oder sie wird nicht sein. Es gibt eine ganze Reihe guter Initiativen. Diese werden kooperieren müssen. Die konservativ- katholische Zukunft wird vernetzt sein oder sie wird nicht sein.