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Der 3. Oktober ist ein Feiertag, an dem auch die Pastöre mal ausschlafen können, so erklärte mir ein Priester vor einigen Jahren seine Begeisterung für den Tag der Deutschen Einheit. Ist das alles? Ein Tag zum Auspennen? In anderen Ländern gibt es einen Nationalfeiertag, an dem es kracht. Frankreich, USA, Italien und viele andere mehr haben einen Tag, an dem das ganze Land etwas zu feiern hat.

Eigentlich hätte auch Deutschland etwas zu feiern. Am 3. Oktober 1990 traten die 6 östlichen Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland bei. Gemäß vorher abgeschlossener internationaler Verträge war damit die Einheit Deutschlands abgeschlossen. Die ehemaligen Ostgebiete bleiben in Polen. Elsass- Lothringen bleiben Französisch. Eupen – Malmedy, so eine Polemik meines früheren Geschichtslehrers, will eh keiner haben. Jubel, Trubel, Heiterkeit! Wir sein vereinigt.

Und jetzt? Längst bemüht sich Berlin, sich als Metropole zu etablieren. Hinsichtlich der Mietpreise soll es gelungen sein. In anderer Hinsicht ist man noch auf dem Weg. Der Osten gilt in Teilen als Dunkeldeutschland, was nicht nur ungerecht, sondern auch unwahr ist. Tatsächlich ist die Spaltung Deutschlands in den Köpfen der Menschen noch nicht überwunden. Der Schaden, den 40 Jahre Sozialismus angerichtet haben, wird von den letzten 10 Jahren Hartz IV – Turbokapitalismus ganz sicher nicht repariert. Die Wahlergebnisse im Osten sind eine ganz glasklare Folge falscher Politik.

Trotzdem sollte es doch ein Grund sein, die staatliche Einheit zu feiern. Und sei es nur, daß es eine Feier der Hoffnung ist. Warum, fragt Klaus Kelle, feiern wir diesen 3. Oktober nicht so wie die Menschen in vielen anderen Ländern? Die Antwort ist denkbar einfach: Weil der 3.Oktober für uns keine Bedeutung hat. Es gibt an dem Tag nichts zu feiern, außer der Tatsache, daß Helmut Kohl gerade mal Platz im Kalender hatte, um das nachzuvollziehen, was die Bürger der DDR im Vorfeld der Maueröffnung am 9. November 1989 friedlich erstritten hatten. Vielleicht kann der 3. Oktober in 50 Jahren gefeiert werden, wenn sich genügend Legendenstoff an ihm angelagert hat. Vorher wird das nichts mit uns Deutschen und unserem Synthetiknationalfeiertag. Dieser künstlich generierte Tag ohne jegliche historische Verankerung im Leben unseres Landes und der Völker, die diese Bundesrepublik bilden, sträubt sich mit jeder Sekunde, die er andauert dagegen, gefeiert zu werden. Daran ändern der Festakt um Deutschen Bundestag, die Rede des Bundespräsidenten und die regional ausgerichtete Feiern in einem der Bundesländer nichts.

Eigenartiger Weise ist der 9. November in jedem Jahr ein Tag, an dem die Bilder wieder hochkommen. Erinnerungen, weil ja Zeitzeugen sind. Andere Erinnerungen, zu denen unsere Großeltern Zeitzeugen sind, nämlich das große Pogrom 1938, kommen ebenfalls hoch. Historisches Erinnern an weiter zurück liegende Ereignisse gehört zum 9.11. ebenfalls dazu. Der 9. November könnte als ein Schicksalstag der deutschen Geschichte angesehen werden.

Damit verbietet sich an diesem Tag ein rauschendes Fest im Sinne anderer Nationalfeiertage. Doch ist der Begriff „Nation“ für uns Deutsche denn nicht ohnehin ein Unsinnswort? Deutsche Nation, was soll das sein? Der Staat nennt sich jetzt Deutschland. Doch immer wird es ein Fragment bleiben, das andere Länder, die auch deutsch sind, als Folge historischer Entwicklungen nicht beinhaltet. Die Geschichte dieses Staates sowie die Geschichte aller anderen Länder, die deutsch sind und zu anderen Staaten gehören, ist eine sehr wechselhafte. Kulturell oft groß, zuweilen militant, kleinstaatlerisch, manchmal sogar miefig, Unruhestifter in der Mitte Europas und dann wieder der große europäische Integrator gemeinsam mit Frankreich in der jüngeren Geschichte.

So wechselhaft wie unsere Geschichte ist auch der 9. November: Mal freudig, mal grausam, mal bedenklich, manchmal hoffnungsfroh. Da stellt sich die Frage, ob ein solcher staatlicher Gedenktag unserer Geschichte und unserem Naturell nicht viel angemessener wäre, als ein Nationalfeiertag für eine Nation, die am Ende doch gar keine ist.

Der 3. Oktober jedenfalls wird noch für lange Zeit ein ungeliebter Feiertag sein. Besserung nicht in Sicht.