Das Gnadenbild in Geseke stand auf einem Altar. Nach der Sanierung der Stiftskirche steht es auf einer Säule. Die späte Postmoderne verliert auch in der Sprache der Kunst jeden Begriff von Heiligkeit. Profanität und Säkularität bestimmen die Ausdrucksformen.
Nicht nur in Berlin oder in Paris werden Kirchen renoviert und „modernisiert“, auch in der Provinz passiert dies. Es bleibt nur meist der Öffentlichkeit verborgen und löst vielleicht eine regionale Welle aus. Die Stiftskirche in Geseke, immerhin die Heimatkirche des Erzbischofs von München, wurde soeben wieder neu eröffnet. Seine Eminenz persönlich ließ es sich nicht nehmen, den neuen Altar zu weihen. Da solche Veranstaltungen inzwischen eher weltliche Spektakel für geladene Gäste sind, auch in Paris waren bei der Eröffnung, der Altarweihe und der ersten Heiligen Messe die gewöhnlichen Gläubigen eher Zaungäste, ist es sinnvoll, derzeit auf die Teilnahme an Neueröffnungen sanierter Kirchen zu verzichten. Wer einmal eine Altarweihe gesehen hat, weiß, dass dies durchaus spektakulär sein kann, aber einmal gesehen reicht aus. Diplomatische Höflichkeiten verbieten zudem, sich an solchen Tagen ernsthaft kritisch zu äußern. Letztendlich ist ja alles in Feierlaune und man hat seine Kirche wieder, die monatelang eine schreckliche Baustelle war.
Ein Blick in die Sanierungszerstörung
Ein bis zwei Wochen später kann man sich das immer noch ansehen und es ist dann immer noch so grausig wie bei der Eröffnung. In unserer späten Postmoderne ist leider kein anderes Vorurteil möglich. Man rechnet mit dem Schlimmsten und ist dann froh, wenn es nicht ganz so arg ist. Selbiges gilt so in der Stiftskirche St. Cyriakus in Geseke. Eine örtliche Glaskunsthandwerkerin durfte sich bei der Gestaltung der Kirche austoben, da war allerschlimmstes zu erwarten. Die gute Nachricht: Das Ensemble aus den drei barocken Altären ist so sehr denkmalgeschützt, dass es nur gereinigt werden durfte. Es beherrscht also weiterhin den Altarraum der Kirche. Im Vordergrund des Hochchores steht nun ein Glastisch mit Marmorplatte, der den Zelebrationsaltar der Kirche darstellt. Die Unterkonstruktion aus Glas weist ein Muster als goldenen Streifen aus, die ein Oval darstellen und eine barocke Form aufgreifen sollen. Urteil: Hübsch, hässlich, wenig beeindruckend aber zum Glück auch nicht so dominant, dass es den Altarraum völlig verschandelt.
Das als Ambo dienende Rednerpult hat einen Sockel aus dem Marmor, der die Altarplatte bildet und eine Glasauflage für das Lektionar. Auch dies Element nimmt sich sehr unaufdringlich zurück und fällt kaum auf. Die gesamte Gestaltung des Hochchores ist kalt und nüchtern. Der Blick auf den Hochaltar ist weiterhin frei, er kann also zu einem späteren Zeitraum problemlos wieder genutzt werden. Der Glastisch dürfte dann mit wenigen Handgriffen zu beseitigen sein. Alles in allem ist hier wenig Schaden angerichtet worden, die Optik ist erträglich aber eben von der spätpostmodernen geistlichen Leere, die wir überall beobachten können.
Der Schrecken beginnt an den Seiten
Kam man beim Altarraum noch mit einem leichten Schrecken davon, wird es rechts und links zur reinen Gruselshow eines postmodernen geistlichen Dekonstruktivismus. Auf der rechten Seite stand einst der Josefsaltar, ein echter geosteter Altar, an dem auch gelegentlich, insbesondere am 19. März, die Heilige Messe gefeiert wurde. Der Altar wurde beseitigt und durch einen seltsam geformten Glastisch ersetzt. Ein goldfarben aufgesetzter Winkel soll daran erinnern, dass er Zimmerman war. Dass Geseke eine Zementstadt ist (warum auch immer das in einer Kirche Erwähnung finden muss), zeigt sich in der Zementfüllung zwischen zwei Glasscheiben unter dem Glastisch.
Weder passen die Proportionen der Figur des Heiligen zum Tisch auf den er gesetzt wurde, noch passt das Gesamtsensemble zu den Proportionen der Nische, in die es – wie hingeworfen – gestellt wurde. Die Dekorationselemente an der Rückwand, die das Leben des Heiligen illustrieren sollen, wirken eher lächerlich. Unser Josef ist auf Grund der dargestellten Väterlichkeit des Heiligen eine der schönsten Josefsdarstellungen, die ich kenne. Eine solche Verschandelung seiner Umgebung und die Unmöglichkeit auf seinem Altar zu seinen Ehren eine Messe feiern zu können, ist eine bodenlose Frechheit.
Der nächste Schock wartet, wendet man sich um 90 Grad. Die Stiftskirche St. Cyriakus hat einen Reliquienschrein mit den sterblichen Überresten ihres Patrons, des Heiligen Diakons Cyriakus. Der Heilige hatte bis dato sein Grab im Marienaltar der Kirche, an dem an jedem Samstag die Heilige Messe gefeiert wurde. Der Schrein des Heiligen steht jetzt neben dem Eingang zur Sakristei auf einem ehemaligen Altar, der aussieht, als müsste er mal renoviert werden. Daneben steht in einer Ecke eine einmalige Darstellung des Heiligen als Ritter.
Diese Darstellung geht vermutlich auf die Bewahrung der Stadt vor Eroberung im Dreißigjährigen Krieg zurück. Reliquienschrein und Statue wirken an der Stelle und in diesem Ensemble wie abgestellt, weil man nicht mehr wusste, wohin damit. Viel deutlicher kann man die mangende Ehrfurcht vor dem Heiligen wohl nicht zum Ausdruck bringen. Da an dieser Stelle in der Vergangenheit die Krippe aufgebaut war, darf man gespannt sein, ob der Heilige dann demnächst der Krippe weichen muss.
Maria auf der Säule
Den Gipfel abgeschossen hat die Zerstörung des Marienaltars. Die Stadt Geseke hat ein besonderes Gnadenbild: Maria Schuss. Die Legende kann man hier nachlesen. Dem Gnadenbild sind viele Wunder zu verdanken und wer in Geseke ein Anliegen hat, steckt hier eine Kerze an. An der Mauer neben dem früheren Marienaltar ist die Geschichte des Gnadenbildes aufgeschrieben. Dazu gehört auch, dass das Bild vom Volk auf den hier stehenden Altar getragen wurde. Natürlich war der Marienaltar nicht mehr original, aber es stand ein Altar an der Stelle.
Ein Altar auf dem an Stelle einer Retabel das Gnadenbild stand und unter dessen Mensa der Heilige Cyriakus beerdigt war. Hier wurde an jedem Samstag die Heilige Messe gefeiert, doch die Zerstörung hat eine Vorgeschichte. Die jetzt erfolgte Zerstörung dieses Altars ist final. Der Heilige ist neben der Sakristei geparkt. Das Gnadenbild wurde auf eine Säule gestellt, hinter der eine gestaltete Wand aufgestellt wurde.
Damit wurde, die Polemik sei an dieser Stelle erlaubt, das Gnadenbild Maria Schuss zur Säulenheiligen degradiert. Dem Vernehmen nach soll vor oder neben der Säule noch ein runder Glastisch aufgestellt werden, an dem man wohl Werktagsmessen zelebrieren will. Und damit haben wir dann in Geseke ein dringendes Gebetsanliegen, dass unser Gnadenbild von seinem Exil als Säulenheilige doch möglichst bald wieder zur Ehre eines Altares erhoben werde. Aber keine Bange, auch im Exil werden wir unserem Gnadenbild die Treue halten und dort unsere Anliegen der Gottesmutter vortragen, sie Ehren für ihre Fürbitte und Kerzenopfer bringen. Eines Tages wird man dort oder an anderem Ort wieder einen Altar für das Gnadenbild Maria Schuss errichten.
Fazit: Note für die Sanierung ist mangelhaft
Es ist unterm Strich eine der üblichen, wenig gelungenen Sanierungen einer alten Kirche. Natürlich kann man nicht einfach einen irgendwie superneobarock erfinden und in eine gotische, später moderat barockisierte Kirche einbauen. Doch ehrlich gesagt wäre jeder Anachronismus in einer funktionierenden künstlerische Sakralsprache besser als eine postmoderne misslungene oder gar nicht erst versuchte künstlerische Sakralsprache.
Vorher stand im Altarraum die Mensa eines früheren Seitenaltares als Zelebrationsaltar. Man muss pragmatisch sein, ohne „Montinitischchen“ auch „Konzilskiste“ genannt, geht es ja derzeit nicht. Wenn es also sein muss, dann bitte etwas Schönes. Als Ambo diente bis dato eine umgebaute Flanke der früheren Kanzel. Nicht ein Ausbund an Schönheit aber wenigstens schön in der Symbolik. Auch diese musste weichen. Den Umbau der Stiftskirche in Geseke als misslungen zu bezeichnen, würde der Sache nicht gerecht. Die Scheußlichkeit ist die Scheußlichkeit unserer Zeit und die manifestiert sich eben auch in der sakralen Kunst. Das können wir nicht verhindern. Was es zu verhindern gilt, ist ein zu hohes Maß an Zerstörung. Das scheint zumindest was den Altarraum von St. Cyriakus angeht gelungen zu sein. Den Rest muss die kommende Generation wieder aufbauen.