Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts stellt die Freiheit der Bürger unter Gesetzesvorbehalt. Prompt folgen neuen nicht evidenzbasierte Maßnahmen. Es gibt keinen Ausgang. 
Die Impfpflicht wird kommen. – Bild von ronstik auf Pixabay

Wer in diesem Land Ende der 50er/ Anfang der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts geboren wurde, hat in der Schule gelernt, dass es in diesem Land nie wieder möglich sein würde, möglich sein sollte und möglich sein dürfte, den Menschen ihre Grundrechte zu nehmen. Dazu, so lernten wir, hatten die Verfasser des Grundgesetzes die ersten 19 Artikel dieses Grundgesetzes so fest und unverrückbar verankert, dass sie auch von einer grundgesetzänderungsberechtigen Zweidrittelmehrheit des Bundestages nicht abgeändert werden könnten. Wir waren ein bisschen Stolz auf so kluge Leute, die uns so sicher unserer Freiheit garantieren wollten. So haben wir es gelernt und so galt es bis zur Verfügung des ersten Lockdown, der am 22. März 2020 in Kraft trat. Wir hätten es nicht für möglich erachtet. Und doch geschah es.

Verordnungen und Gesetze

Zunächst auf dem Wege einfacher Verordnungen, später auf dem Wege von Gesetzen und daraus resultierenden Verordnungen, bis hin zum Inkrafttreten einer sogenannten Bundesnotbremse im April 2021 wurde alle Grundrechte aus den Artikel 1 bis 19 entweder vollkommen abgeschafft oder zumindest weitgehend eingeschränkt. Seit dem 22. März 2020 sind ununterbrochen in wechselnder Folge einige bis alle Grundrechte außer Kraft gesetzt worden. Nun könnte man einwenden, die Presse- und Meinungsfreiheit sei doch die ganze Zeit über gewährleistet gewesen. Kritische Berichterstattung sei immer möglich gewesen.

Darauf gibt es nur eine Radio-Eriwan- Antwort. Im Prinzip war sie möglich, doch jede kritische Berichterstattung zur Coronapolitik der Bundesregierung und der Landesregierungen stand unter Beschuss sogenannter Faktenchecker, die wenn man ehrlich ist, Fakten sehr selektiv und keineswegs objektiv gecheckt haben. Eine schon fast als Propagandaschlacht zu bezeichnende Hofberichterstattung durch öffentlich-rechtliche Medien hat diese in der Bevölkerung inzwischen fast vollständig diskreditiert. Auf der anderen Seite machten verschwörungstheoretisch und esoterisch beeinflusste Fakenewsschleudern jedem sachlichen Kritiker das Leben sehr schwer.

Druck auf Kritiker

Die Pressefreiheit ist zwar nicht durch gesetzliche Maßnahmen eingeschränkt worden. Sie ist vielmehr durch eine immer weiter fortschreitende sprachliche Aufrüstung auf Seiten der Kritiker wie auf Seiten der Verfechter der Coronapolitik erheblich beschädigt worden. Dass die Politik unangenehme Fragen und auch bohrende Frager bekämpft, ist keine Neuigkeit, neu ist, wie massiv dies teilweise geschieht und auf wie wenig Solidarität investigativ recherchierende und intensiv nachbohrende Kollegen ausgerechnet in Journalistenkreisen stoßen. Da wäre ein Umdenken hin zu einem offenen kollegialen Diskurs eine unbedingte Notwendigkeit.

Man erinnere sich an die Aktion #allesdichtmachen. Beteiligte Künstler wurden massiv unter Druck gesetzt. Viele gaben auf und zogen aus Angst um ihre berufliche Zukunft ihre Videos zurück. Ein Recht auf freie Meinungsäußerung sollte berufliche Nachteile durch eine geäußerte Meinung zu verhindern in der Lage sein. Ist es das nicht, existiert das Recht faktisch nicht.

Der Irrtum der Verfassungsrichter

Der Rettungsanker für einen sinnvollen, angemessenen und mit Augenmaß dosierten Umgang mit Einschränkung von Freiheitsrechten, schien das Bundesverfassungsgericht. Mit seiner Entscheidung, dass die Bundesnotbremse verfassungskonform war, hat der erste Senat des höchsten deutschen Gerichts unsere grundgesetzlich garantierten Freiheitsrechte faktisch unter Gesetzesvorbehalt gestellt. Damit haben die Richter unsere Freiheit für ein Abendessen verkauft, das wohl nicht einmal ein biblisches Linsengericht war. Zum Glück gilt: Keine Entscheidung eines Gerichts könnte nicht später wieder revidiert werden. Es bleibt die Hoffnung auf eine Neubewertung der gegenwärtigen Rechtsprechung durch einen künftigen Senat desselben Gerichts. Vorerst jedoch gilt dies Urteil und es zeigt sich, dass es sofort Folgen nach sich gezogen hat. Meine Rechtsauffassung bleibt, dass die Bundesnotbremse unangemessen und damit verfassungswidrig war. Das Bundesverfassungsgericht irrte mit dieser Entscheidung. Ein Drama jüngster Verfassungsrechtsprechung!

Die Folgen zeigen sich sofort. Willkürlich und ohne Rücksicht auf fehlende Evidenz werden Diskotheken geschlossen, Weihnachtsmärkte beendet, Silvesterfeuerwerk unmöglich gemacht, ungeimpfte Staatsbürger vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen und eine Impfpflicht angebahnt, die als mindestens umstritten angesehen werden kann.

Eine Pflicht geht nicht

Eine Impfpflicht wäre dann und nur dann wirklich angezeigt, wenn der Impfstoff eine länger andauernde sterile Immunität liefern würde und mit Einführung der Impfpflicht eine realistische Erwartung verbunden wäre, die epidemische Lage auf Dauer erheblich zu begrenzen und das Virus deutlich zurückzudrängen. Derzeitige Impfstoffe gewähren geimpften Personen einen zeitlich begrenzten Schutz vor einem schweren Verlauf der Erkrankung und sind mit dem Risiko zahlreicher Nebenwirkungen behaftet. Auch der wissenschaftliche Dienst des deutschen Bundestages bezweifelt, ob eine Impfpflicht verfassungskonform wäre. Vergleichbare Gutachten haben allerdings, wie man leider feststellen muss, in den letzten Jahren weder die Legislative noch die Exekutive von irgendeiner Gesetzgebung oder Gesetzesinitiative abgehalten. Man darf allen schwerwiegenden Gegenargumenten zum Trotz von der Einführung einer Impfpflicht ausgehen.

Trotzdem gilt: Die Entscheidung sich impfen zu lassen oder nicht muss eine persönliche Entscheidung sein und bleiben, die nach einer freien Abwägung von Nutzen und Risiken gefällt wird. Asozial sind nicht die, die sich nicht impfen lassen. Angesichts der Tatsache, dass der Impfschutz primär ein persönlicher und kaum noch sekundär zu nennen ein sozialer Schutz ist, sind diejenigen asozial, die mit Moral- und sonstigen Keulen auf ungeimpfte Menschen eindreschen. Man mag das Urteil hart nennen, aber die Härte ist weitaus geringer als die Härte, mit denen in sozialen Medien Hass gegen ungeimpfte Menschen verbreitet wird. Allerdings gilt dies auch vice versa! Wer sich in freier Entscheidung mit den vorhandenen Impfstoffen impfen lässt, ist weder ein Verräter noch ein Obrigkeitshöriger noch sonstwie ein Auszugrenzender oder zu beschimpfender. Der Hass, die Verschwörungstheorien, die Fakenews und die Hetze, die gegen die verfügbaren Impfstoffe verbreitet werden, sind unterirdisch.

Folgen der Entscheidung

Leider muss man nach der folgenschweren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts feststellen, dass es sich hier nur um einen weiteren Schritt auf dem Weg unseres Landes inmitten einer dystopischen Wirklichkeit handelt. Gekennzeichnet ist diese dystopische Wirklichkeit neben den zunehmend freiheitskritischen Rechtsnormen vor allem auch durch eine zunehmende Spaltung in der Gesellschaft. Den Regierenden, aber ganz konkret auch dem Bundesverfassungsgericht, ist vorzuwerfen mit ihrem Handeln die Spaltung zu schüren und zu vertiefen, statt beruhigend und einigend zu wirken. Lügen, Tricks, Korruption, mangelndes Wissen, willkürliche Maßnahmen, Verhindern einer Debatte um den richtigen Weg, Ausbremsen gewählter Parlamente, Angstpropaganda, die unmäßige Höhe der verhängten Bußgelder und Strafen sowie letztendlich das nirgendwo abzusehende Ende, schaffen einfach kein Vertrauen und schon lange keine Zuversicht.

Schon unmittelbar nach Beginn des ersten Lockdown zeichnete sich ab, dass niemand ein Ausstiegsszenario aus der festgestellten Pandemie hat. Ganz im Gegenteil wurden immer neue Bausteine erfunden, die Pandemie gesellschaftlich tiefer und fester zu verankern. Unwirksame Lösungsmuster haben sich verfestigt, verstetigt und werden in jeweils unterschiedlichen Variationen bei steigenden Inzidenzen neu angewandt. Die Maßnahmen mutieren teils schneller als das Virus. Die Epidemie beeindruckt dies nicht. Ein Virus breitet sich gemäß seiner Charakteristik aus. Der kleine Lockdown damit wir Weihnachten feiern konnte im Jahr 2020 endete nach Ostern 2021. Die jetzt beschlossenen Maßnahmen werden erneut von schmerzhafter und für viele existenzbedrohender Langlebigkeit sein. Die ihr hier lebt, lasst alle Hoffnung fahren.

100 Tage

Während die im Werden befindliche Ampelkoalition zunächst den Eindruck erweckte, in der Pandemiebekämpfung einen anderen Weg einschlagen zu wollen, wächst langsam die Erkenntnis, dass es sich nur um ein verzögertes „Weiter so“ handeln könnte. Fortschritt sieht anders aus. Warten wir jedoch bitte die üblichen einhundert Tage, um die Regierung beurteilen zu können. Das gebietet die Fairness. Eine Chance sollen sie bekommen.