Am besten nicht einmal ignorieren. Die Wahlen zum Pastoralgremium und zum Kirchenvorstand nicht zur Kenntnis zu nehmen, schont die Nerven. Auch wenn diesmal heftig dafür geklappert wird, sie spielen für den Glauben keine Rolle.

Um es gleich vorweg zu sagen: Auch in diesem Jahr werde ich die Wahlen zu den Gremien der Pfarreien ignorieren. In NRW wählen die Bistümer im Oktober und November die Kirchenvorstände und die sogenannten pastoralen Gremien. Aus lauter Verzweiflung, weil die Wahlbeteiligung noch schlechter ist als der Kirchbesuch, darf man in diesem Jahr nicht nur an einem Sonntag (samt Vorabend) sondern gleich im Laufe von zwei Monaten wählen. Man kann am Wahlsonntag im Wahllokal, in den genannten zwei Monaten per Briefwahl oder sogar im Internet wählen. Man darf sehr gespannt sein, ob sich die Wahlbeteiligung dadurch sehr verändern wird. Eine zweistellige Prozentzahl wäre eine Sensation.
Eines jedenfalls lässt sich schon jetzt sagen: Es werden Menschen sehr viel offensiver eingeladen, an den Wahlen teilzunehmen, die gar nicht am Leben der Kirche teilnehmen. Jeder Katholik im Erzbistum Paderborn bekommt einen persönlichen Brief mit einer Einladung zur Wahl- Ob und wie sich das auf die Zusammensetzung der Gremien auswirkt, lässt sich im Vorfeld nicht sagen. Kandidaten, die sich zur Wahl stellen, sind ebenfalls nicht unbedingt regelmäßige Gottesdienstteilnehmer. Die Motivationen dazu sind sehr unterschiedlich.
Wahl der Abrissunternehmer
Für das Erzbistum Paderborn gilt, dass die Gremien, die jetzt gewählt werden, nur noch dazu da sind, die Körperschaften, für die sie gewählt werden, abzuwickeln. Das Erzbistum Paderborn hatte im vergangenen Jahr noch 603 Pfarreien. Geplant ist eine Zusammenlegung der klassischen Pfarreien, die schon heute in sogenannten „Pastoralen Räumen“ zusammengeschlossen sind, in maximal 25 Seelsorgeräume, bestehend aus bestenfalls 1 bis maximal 3 Pfarreien. Das Kompressionsverfahren soll diesmal in wenigen Jahren schnell, final und top-down angeordnet durchgeführt werden. Für Synodalität haben wir keine Zeit, könnte man sagen. Bis 2030 soll alles erledigt sein. Die jetzt gewählten Gremien auch. Derzeit gibt es 603 Kirchenvorstände. Dann gibt es noch 40 oder 50, je nachdem, wie viele Pfarreien es am Ende sind. Mehr pastorale Gremien wird es dann auch nicht mehr brauchen. Gesetzt den Fall es wären heute pro Pfarrei ca. 10 Kirchenvorstände, dann bräuchte es ca. 6030 ehrenamtliche Mitstreiter. Angenommen die größeren Pfarreien brauchen größere Gremien. Nehmen wir 20 Kirchenvorstände, dann wären es noch 800 bis 1000 benötigte Ehrenamtliche. Äquivalent stellt es sich bei den pastoralen Gremien dar. Auch wenn diese Zahlen ungenau sind, sie geben den Trend wieder. Es werden deutlich weniger ehrenamtliche für die Gremien gebraucht. Statt mehr Partizipation von Laien, wird es deutlich weniger sein. Da es vermutlich bei dieser Struktur keiner Dekanate mehr bedarf, wird es keine Dekanantspastoralräte mehr geben. Es fällt eine ganze Ebene weg. Die Hierarchien werden steiler.
Die Wahl scheint so wichtig zu sein, dass der Erzbischof selbst einen – unpersönlichen – Brief beilegt. Er schreibt:
„Wahlen sind ein kostbares Gut. In unserer Kirche schaffen sie Verbindlichkeit, Gemeinschaft und Mitverantwortung. Frauen und Männer stellen sich zur Wahl als Kirchenvorstand oder Mitglied im pastoralen Gremium, weil sie ihre Kirche vor Ort mitgestalten wollen.“
Das hinterlässt einen ratlos. Denn die Sinnfrage dieser Wahlen stellt sich vor allem folgendermaßen: welche Motivation haben gewählte Gremien an der Auflösung eben jener Körperschaft zu arbeiten, für deren Vertretung sie gewählt sind. Da geht es nicht um Gestalten, es geht um Abwickeln. Abwickeln jener Strukturen, das muss man ergänzen, die zum Teil noch in der Errichtung sind, an der die jetzigen Kandidaten in den letzten Jahren gearbeitet haben . Zwischen Lethargie und Hauen und Stechen wird es da wohl alles geben. Doch das wird niemanden interessieren. Am Ende entscheidet Paderborn und es wird kein Stein auf dem anderen bleiben. Noch einmal sehr klar, keine einzige der heute existierenden 603 Pfarreien wird es am 31.12.2030 – das ist in gut fünf Jahren – noch geben. Gewählt werden keine Laienvertreter, sondern Abrissbeauftragte. Wer das will, wer Lust dazu hat, diese Abrissbirne zu schwingen, möge es tun. Meine Stimme dafür gibt es nicht.
Keine echte Wahl
Eine echte Wahl böte die Möglichkeit, eine Alternative zu wählen. Eine echte Wahl trüge die Option in sich, die jetzigen Pläne noch zu verändern. Eine solche gibt es nicht. Warum soll man wählen. Die Laien, jedenfalls diejenigen, die Sonntag für Sonntag in die Heilige Messe gehen, die beten, versuchen ihren Glauben zu leben, denen das Evangelium, sie Sakramente und die Lehre der Kirche etwas bedeuten, sind zum Bistumsprozesse nicht befragt worden. Eine Gruppe aus Funktionären und der sogenannten Bistumsleitung, ein in der Kirche nicht vorgesehenes Organ, hat den Entschluss gefasst. Damit er Rechtskraft erlangt, hat ihn der Bischof in Kraft gesetzt. Damit wird es so geschehen. Die Strukturen werden so radikal verändert, wie es in der Geschichte des Bistums noch nie passiert ist.
Ob ein Laie in seiner Gemeinde etwas wählt, sich der Stimme enthält oder gar nicht wählt, das spielt keine Rolle. Die Kirche ist weder Demokratie noch Wunschkonzert. Der Bischof entscheidet und trägt die Verantwortung für die Entscheidung. Es geht dabei am Ende nicht um Strukturen, es geht um nichts weniger als um das Seelenheil der dem Bischof anvertrauten Menschen in seiner Diözese. Daran wird er gemessen und gewogen werden. Wenn die jetzt gefällte Entscheidung, die Pfarreien gegen den Willen der Gläubigen aufzulösen und Megapfarreien zu errichten, dem Seelenheil der Menschen dient, dann ist es gut. Zu bedauern ist der Klerus, der unter den zu erwartenden Bedingungen arbeiten muss.
Ehrenamtler sind lästig
Interessant ist, wie sehr man plötzlich auf ehrenamtliche Laien für alles Mögliche setzt. Von der Beerdigung über die Taufe, bis zur Trauung und Krankenkommunion, wird man künftig überall von der freundlichen kfd-Vorsitzenden von nebenan seelsorglich betreut werden. Und das alles wird ganz toll werden! Noch mal der Erzbischof:
„Sie können sich darauf verlassen: Ihr Engagement wird gesehen, geschätzt- und gefördert.“
Wie dies aussieht, habe ich nach weit über 20 Jahren Lektorendienst erfahren dürfen. Vor einigen Jahren gab ich diesen Dienst – sehr ungern – aus persönlichen Gründen auf. Es wäre auf Grund von unvorhersehbaren Abwesenheiten nicht mehr möglich gewesen, den Dienst zuverlässig auszuüben. In einem Schreiben teilte ich dies dem Pfarrer mit. Nach der langen Zeit fiel mir der Abschied von dieser Aufgabe sehr schwer. Heute fällt es mir sehr leicht, denn es gab auf mein persönlich gehaltenes Schreiben, in dem ich auch meine Dankbarkeit für die Zeit als Lektor zum Ausdruck brachte, nicht eine einzige Zeile als Antwort. Eisiges Schweigen nach so langer Zeit verlässlichen Dienstes, das muss man erst mal bringen. Man wird übersehen, missachtet und vertrieben, so ist die Wirklichkeit. Deal with it, Erzbischof. Das Gerede von geschätzt und gesehen ist einfach nur Quark.
Das Ende des erzbischöflichen Schreibens wäre Zynismus, müsste man nicht davon ausgehen, dass der Ghostwriter des Paderborner Oberhirten diese Sätze vielleicht sogar wirklich glaubt:
„Unsere Kirche ist im Wandel. Aber sie lebt- durch Menschen wie Sie. Durch Ihre Stimme. Durch Ihr Mitdenken. Durch Ihr Mitgehen.“
Derart grausige, werbeindustriell designte Sätze taugen nicht einmal dazu einen Schokoriegel zu verkaufen. Die Kirche lebt ganz sicher durch Menschen, denn mit Menschen hat der Herr die Kirche gebaut. Sie lebt von den Sakramenten, sie lebt durch das Zeugnis, das Evangelium und sie lebt, dort wo Menschen die Sakramente empfangen und Zeugnis geben. Zur Not mit Worten.
Bis kurz vor Ende des Schreibens hatte ich gedacht, vielleicht doch zumindest symbolisch eine Stimme abzugeben, denn es müssen ja tatsächlich Menschen diesen lausigen Dienst tun, die Pfarreien aufzulösen und die Strukturen vor Ort zu Gunsten eines neuen Zentralismus abzuwickeln. Doch nach dieser Botschaft ist klar: Es wird keine Teilnahme an dieser Wahl geben.
Am besten nicht mehr daran denken
Alternativ, so war eine kurze Überlegung, könnte man seinem Bischof schreiben und mit Argumenten untermauern, warum diese Art von Wahl so überhaupt gar nicht sinnvoll ist. Doch davon war ich schnell kuriert. Man muss sich nur die jüngsten Bilder aus Rom ansehen, mit wem unsere Bischöfe auf Pilgertour gehen. Man muss sich nur im Web umsehen, mit wem die Bischöfe wirklich gerne reden. Man muss sich nur erinnern, wenn man in der Vergangenheit mal einem Bischof geschrieben hat, was als Antwort von irgendwelchen Knallchargen zurückkam. Man muss sich erinnern, wenn es mit einem Bischof Kontakt gab, wie er verlaufen ist. Um es vorwegzusagen, es waren alles nette Erfahrungen von gepflegter bürgerlicher Höflichkeit bei vollkommen enttäuschender Fruchtlosigkeit. Und damit ist klar: Warum eigentlich die Mühe machen? Es gibt keinen vernünftigen Grund. Sie interessieren sich einfach nicht für uns. Warum sollte man sie belästigen und sich selbst die erwartbare Demütigung antun. Es bleibt dabei, dass PGR- und KV-Wahlen auch bei größtmöglich verbreitetem Getöse schlicht ignoriert werden.
Der eigene Bischof wird dann und nur dann nicht ignoriert, wenn er amtlich über den Glauben spricht. Das hat er zu tun. Womit er sich privat beschäftigt, interessiert mich nicht. Andere Bischöfe gehen mich persönlich nichts an, sie sind allenfalls beruflich von Interesse. Auch nach 2030 wird irgendwo die Messe gefeiert werden. Also kann man die Gremien auch ignorieren. Allen Kandidaten, so sie gewählt werden, viel Freude bei der Mitarbeit am Abrisskommando Bistumsprozess.
