Symbolbild
– gemeinfrei –

Nun hat das Volk gewählt und die Gewählten haben den Salat. Sieben Parteien in sechs Fraktionen sitzen im künftigen Deutschen Bundestag. Weimar läßt grüßen. Eine Koalition aus zwei Parteien wäre nur noch mit CDU und SPD machbar. Den Kracher des Abends, noch bevor sich der deutsche Michel die Augen ob 13% AfD reiben konnte, ließ Manuela Schwesig vom Stapel: Die SPD wird in die Opposition gehen.

Für gewöhnlich sind Parteien sehr schnell damit, die Regierung für sich zu verlangen. So schnell am Wahlabend ist wohl noch nie eine Partei freiwillig in die Opposition gegangen. Eine weise Entscheidung, die der geschundenen Sozialdemokratie in Deutschland die Chance auf Rekonvaleszenz bietet. Das ist eine erfreuliche Entwicklung, die so nicht zu erwarten war. Die SPD erzielte ihr schlechtestes Wahlergebnis aller Zeiten. Das hat einen hoffentlich heilsamen Schock bewirkt, den man fast schon nicht mehr erhoffen durfte. So hat dank dieser Einsicht das  Wahlergebnis der AfD zumindest nicht die GroKo auch noch zementieren können.

Den schwarzen Peter hat nun die CDU. Nach erneuten vier Jahren GroKo hat sie die SPD zuschanden geritten und selber einen historischen Absturz hingelegt. Die CDU hat das schlechteste Wahlergebnis seit 1949 eingefahren. Die Verluste betragen sagenhafte acht Prozentpunkte. Sich damit noch als Sieger zu sehen, das muß man erst mal hinkriegen.

Es ist wohl allein der historischen Stärke des weltanschaulichen Fundaments dieser Partei zu verdanken, daß sie immer noch stärkste Kraft im Deutschen Bundestag werden konnte. Ob dies bei unverändertem Kurs noch einmal gelingen kann, ist fraglich. Sie wurde stärkste Kraft trotz Merkel, die im Wahlkampf, wie wohl nie ein Kanzler zuvor, geschmäht und niedergebrüllt wurde. Die nichtabwählbare Kanzlerin, so sieht es jedenfalls gegenwärtig aus, verbleibt trotz historischer Niederlage im Amt. Ihre Politik hat eine Million CDU-Wähler zur AfD getrieben. Diese Tatsache muß man auch zur Kenntnis nehmen.

Es ist dann jetzt wohl ihre Aufgabe, die von allen Seiten herbeigeredete und -geschriebene Jamaika- Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen zu schmieden. Das Gelingen dieser Koalition ist noch nicht gesichert. Weder die FDP noch die Grünen, die beide gestärkt aus dieser Wahl hervor gegangen sind, werden dumm genug sein, sich zu billig zu verkaufen. Ob aber die Grünen und die Gelben allerdings die Kröten zu schlucken bereit sind, die die Allzeitkanzlerin für sie wechselseitig bereit hält, ist keineswegs ausgemacht. Allzu kuschelig wird ein gemeinsames Gelbgrünes Lager unter schwarzem Dach ohnehin nicht werden. Zudem stellt jetzt die CSU noch die Fraktionsgemeinschaft in Frage und macht sich so ebenfalls teuer. Auch Franz-Josef Strauß hatte so Helmut Kohl schon einmal in heftige Bredouille gebracht.

Selbst bei einer Einigung steht uns eine turbulente Legislaturperiode bevor. Die einschläfernde Zeit der Groko ist vorbei. Politik erfreut sich neuer Beachtung. Zumindest darüber darf man erleichtert aufatmen: Es gibt künftig eine Opposition im Parlament und es gibt – so sie denn zustande kommt – eine Koalition, deren Partner sich nichts schenken werden. Undemokratische Alleingänge aus dem Kanzleramt gehören damit hoffentlich ebenso der Vergangenheit an, wie freiheitsfeindliche Gesetze aus dem Justizministerium.

Das ganze Spiel könnte noch eine Variante bekommen, wenn die CDU ihrer Kanzlerin das Vertrauen entzieht. Grund genug für ein „Es reicht jetzt, Kanzlerin!“ gäbe es allemal. Doch danach sieht es zur Zeit nicht aus. Warten wir einmal die Koalitionsverhandlungen ab. Da ist sicher Spielraum für Überraschungen.

Bleibt noch ein Wort zu den Radikalen. Die Rede war von Erdrutsch und Erdbeben, als die AfD mit 13% in der Prognose auftauchte. Die Empörung war natürlich gespielt. Jeder mit ein wenig Verstand konnte wissen, was da kommt und selbst 15 % AfD wären nicht ganz unmöglich gewesen. Trotzdem bleibt ein ungutes Gefühl zurück. Die gemäßigten Parteien machen nun noch rund 60% Wähleranteil aus. Die radikalen Parteien, zu denen man auf Grund der zumindest partiellen Nähe zur Antifa auch die Grünen zählen kann, kommen auf rund 40% Wähleranteil. Sowohl Rechts- als auch Linksradikale stellen eine potentielle Bedrohung für die Freiheit und letztendlich für die Demokratie dar. Linke und AfD sind dezidiert verfassungsfeindlich. Das hat das Parlament nun erst mal auszuhalten. Parlamente in anderen Ländern leben seit Jahrzehnten damit. Beim Einzug der Grünen in den Deutschen Bundestag konstatierte der damals schon Ex-Kanzler Helmut Schmidt, daß diese in Deutschland den Part der Kommunisten übernähmen, die ganz selbstverständlich in den Parlamenten anderer Länder säßen. Die AfD übernimmt im Deutschen Bundestag nun den Job der Rechtsextremen, die auch in anderen Ländern längst im Parlament sitzen. Gut finden muß man das nicht. Die deutsche Geschichte sollte Warnung genug sein. Doch es ist das Ergebnis einer demokratischen Wahl, welches zu akzeptieren ist, wenn man Demokrat sein will. Es bedarf vor allem der inhaltlichen Enttarnung der radikalen, nicht akzeptablen Inhalte.

Dieser Tage zeigt sich oft genug, wie selektiv man Demokrat sein will. Man hat gelernt zu akzeptieren, daß die Staats- und Mauerschützenpartei der früheren „DDR“ im Deutschen Bundestag vertreten ist. Man wird zumindest für die kommenden vier Jahre akzeptieren müssen, eine partiell rechtsextreme Partei im Parlament zu haben. Was uns erwartet, hat Alexander Gauland deutlich gezeigt: „Wir werden sie jagen!“ und „Wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen.“ Das ist eine Rhetorik, die man ansonsten nur noch in Geschichtsbüchern lesen konnte. Die Maske ist gefallen. Man hätte fast erhobene rechte Arme zu sehen erwartet.

Die Maske fällt aber auch in anderer Hinsicht. Die AfD ist kein homogener Block aus wildwütigen, radikalen Nationalisten. Sie ist vor allem eine Partei der Frustrierten, der Protestieren, der Enttäuschten. Die AfD ist eine Partei der Neinsager und der Protestwähler. Das läßt keine konstruktive Arbeit erwarten. Zudem wird schon am Tag nach der Wahl deutlich, wie zerstritten die Partei ist. Frauke Petry, Parteivorsitzende der AfD, hat heute morgen in der Bundespressekonferenz erklärt, nicht der AfD- Fraktion im Deutschen Bundestag angehören zu wollen. Sie wolle aktiv gestalten und „Realpolitik im guten Sinne einer konservativen Politik machen“, begründete sie ihren Schritt. Aus diesem Grunde werde sie „vorerst als fraktionslose Abgeordnete im Bundestag“ arbeiten. Wir können darauf warten, daß sie weitere Abgeordnete mit bürgerlichem Hintergrund um sich scharen wird.

Erschreckend sind die Ergebnisse im Osten der Republik. In Sachsen wurde die AfD stärkste Kraft. Darüber muß gesprochen werden. Die Radikalen von Rechts und Links dominieren hier ein ganzes Bundesland. In Teilen Thüringens sieht es ähnlich aus. Es wird in den kommenden Jahren noch viel über politischen Radikalismus in Deutschland zu sprechen sein. Dabei ist insbesondere der Osten der Republik ins Visier zu nehmen.

Es wird auch darüber zu sprechen sein, wie sich die ehemaligen Volksparteien künftig aufstellen wollen. Denn beide Volksparteien haben diesmal eine gelbe Karte mit rotem Schimmer zu sehen bekommen. Alle demokratischen Kräfte im Land sind gehalten, daran zu arbeiten, daß die Menschen sie wieder als Garanten der Freiheit ansehen.

Die Nachrichtenlage wird sich den Tag über wohl noch das eine oder andere mal überschlagen, so daß jetzt gar keine abschließende Bewertung der gestrigen Wahl möglich ist. Doch eines dürfte klar sein:

Aus dem großkoalitionären Tiefschlaf ist die Republik jetzt hoffentlich aufgewacht.