Theologen werden kaum wahrgenommen. Die Aufklärung des sexuellen Missbrauchs nahm Johanna Rahner zum Anlass, darüber zu klagen. Die Gründe gehen tiefer.
Symbolbild Hörsaal — Foto: Pixabay

Hand aufs Herz! Wann haben Sie zuletzt ein Buch eines zeitgenössischen Theologen gelesen? Noch mehr Hände auch noch mehr Herzen. Nennen Sie zehn deutsche Professoren für Dogmatik und deren letztes Buch. Wenn Sie das beantworten können, sind Sie Theologe und arbeiten an einer Uni. Wetten, dass …? Warum aber nun Theologentränen? Die Vorsitzende des Katholisch-Theologischen Fakultätentages (KThF), Johanna Rahner, beklagt eine „systemische Ignoranz“ der Kirche. Sie nannte in dem Zusammenhang die Aufarbeitung des Skandals um sexuellen Missbrauch. Bei der Jahresversammlung des KTF, die online stattfand, stellte sie die Frage, ob sich die wissenschaftliche Theologie damit abfinden wolle, dass ihre Forschungsergebnisse vom kirchlichen Lehramt nicht berücksichtigt würden.

Probleme mit dem Niveau

Theologentränen. Das Niveau der Theologie in Deutschland wird immer wieder beklagt. Studenten kommen aus dem Studium, ohne ein fundamentales Grundwissen vom Glauben der Kirche zu haben. Dafür haben sie auch noch die letzte schräge Theorie gelernt, warum die Bibel hier und da und dort gar nicht stimmt und schon mal gar nicht historisch ist. Dogmatik beschäftigt sich vorwiegend mit sich selbst und nicht mehr mit den Dogmen der Kirche. Theologen publizieren Bücher für Theologen und werden zitiert von Theologen, die Bücher von Theologen schreiben. Theologeninzest.

Zudem befinden sich Theologen immer auf dem Drahtseil. Schreiben sie zu krasse Häresien in ihre Frühwerke, können sie da Nihil obstat vergessen. Schreiben sie zu orthodox wird keine Berufungskommission sie ernsthaft für einen Lehrstuhl in Betracht ziehen. In einem solchen Kontext setzen sich nicht die Besten durch und die Schlechtesten auch nicht. Die Chamäleons sind die Sieger und damit die Mittelmäßigsten. Wer sich am besten anpasst, kommt durch.

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Haben Sie in den letzten zwölf Monaten ein Buch von einem zeitgenössischen deutschen Theologen gelesen?

Der Theologe Ratzinger

Es gibt keine pointierten Charaktere mehr in der Theologie, denn wer zur einen oder anderen Seite den Kopf rausstreckt, verliert ihn. Im Gegensatz zu den nicht abreißen wollenden Unterstellungen ist der Theologe Joseph Ratzinger nicht konservativ. Ganz im Gegenteil wurde von Bischöfen vor dem zu progressiven Theologen gewarnt. Natürlich kann man den – wie er sich selber bezeichnet – Modernisten Joseph Ratzinger heute als durchaus konservativ auffassen, wenn man ihn im Kontext zeitgenössischer Theologie liest. In diesem Kontext ist alles konservativ, was nur den Anschein von Lehramtstreue erweckt.

Der Theologe Josef Ratzinger ist nun nicht nur deshalb ein Bestsellerautor, weil er 2005 vom Konklave zu Papst Benedikt XVI. gewählt wurde. Seine Bücher sind auch für Nichttheologen lesbar und interessant. Der letzte deutsche Theologe, der ein theologisches Buch geschrieben hat, dass die theologische Filterbubble durchbrochen hat, ist eben jener Joseph Ratzinger/ Papst Benedikt XVI. Die Jesustrilogie, die der Professor als Präfekt der Glaubenskongregation begonnen und als Papst beendet hat, konnte begeistern und überzeugen.

Bloß weg hier

Ausgerechnet in Theologenkreisen fand das Buch kaum Widerhall, was nicht überrascht, denn wer wollte schon in theologischen Diskurs mit dem Papst treten. Nichts desto Trotz zeigt das Buch die Selbstverzwergung der deutschen Theologie. Wen wundert es also, dass eine nicht mehr authentisch kirchliche Theologie vorsichtshalber gar nicht mehr erst wahrgenommen wird. Die Verantwortungsträger für die Theologie an deutschen Universitäten kommen aus demselben Betrieb und zeigen keinerlei Neigung zur und erst recht keinerlei Wertschätzung für die Theologie. Bei manch einem hat man den Eindruck, er sei froh dem ganzen mit Dissertation am Ende einigermaßen unfallfrei entkommen zu sein.

Einerseits also besteht die Beschwerde von Frau Rahner zu Recht. Denn nicht zuletzt die deutschen Bischöfe arbeiten mit der Reform der Priesterausbildung an einer gewaltigen Ausdünnung der deutschen Theologenlandschaft. Jedoch bringt es auch die Theologie an den Hochschulen nicht mehr zu Wege außerhalb der kirchlichen Binnenlandschaft auf sich aufmerksam zu machen. Oft genug könnte man den Eindruck gewinnen, dass Theologen gerade noch wahrgenommen werden, wo sie in Forschungscluster vordringen können. Doch die Frage ist, ob sie dort eine authentische katholische Stimme in den Diskurs bringen oder wie halbfromme Sozialforscher daherkommen.

Schade ist es dennoch

Eigentlich ist das Schade, denn Theologie ist ein interessantes, anspruchsvolles und motivierendes Studienfach. Doch Vorsicht! Man sollte Theologie immer auf Knien betreiben, Bibliothek, Schreibtisch und Hörsaal sind notwendige Hilfsmittel. Die eigentliche Vorlesung findet vorm Tabernakel statt und führt in die Bibliothek, an den Schreibtisch und in den Hörsaal zurück. Auch daran krankt unsere Theologie, dass sie jeglichen geistlichen Anspruch offensichtlich aufgegeben hat. Auf eine Theologie die Hörsaal und Tabernakel wieder ernsthaft in eins denken würde, könnten dann auch Bischöfe wieder hören.