Von der Verfassung nicht legitimierte Bürgerräte fordern Zensur von Beiträgen in Sozialen Netzwerken. KI-gestützte Software soll Meinungsäußerungen beschränken.
Ausgehend vom Matrosenaufstand in Kiel im Jahr 1918 übernahmen Arbeiter- und Soldatenräte in den meisten deutschen Städten die Macht. Von nichts und niemandem autorisiert oder legitimiert übernahmen sie die Herrschaft in den Ortschaften und strebten die Beseitigung der bestehenden Ordnung, insbesondere der Herrschaft der Hohenzollern an. Einige strebten eine deutsche Sowjetrepublik nach russischem Vorbild an. Mit Verabschiedung der Weimarer Verfassung war der Spuk beendet und das Deutsche Reich wurde eine Demokratie.
Bürgerräte – Ein Zombie kehrt zurück
Der Zombie des deutschen Sowjets kehrte zurück mit der Regierungsübernahme durch die sogenannte Ampelregierung aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen.
„Der Deutsche Bundestag setzt Bürgerräte ein, um zu einer konkreten politischen Fragestellung eine direkte Rückmeldung aus der Mitte der Gesellschaft zu bekommen – jenseits von Meinungsumfragen und Lobbyismus.“
So steht es auf der Internetseite des Deutschen Bundestages. Das ist parlamentarisches Versagen auf ganzer Linie. Um in konkreten politischen Fragen zu einem Meinungsbild aus der Mitte der Gesellschaft zu kommen haben wir Abgeordnete in ein Parlament gewählt. Im
„Art. 38 Abs. 1 GG lesen wir:
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“
Nun berufen eben diese Abgeordneten Bürgerräte ein, um ihnen Weisungen und Aufträge zu erteilen. Der persönlich als Vegetarier lebende Bundeslandwirtschaftsminister berief sich beispielsweise eine Bürgerrat Ernährung, der ihm empfahl zu tun, was ihm genehm war. Wir sollen weniger Fleisch essen. Schon klar. Schon hier sieht man, das die Abgeordneten des Bundestages als Legislative nur allzu sehr und nur allzu gerne den Wünschen der Exekutive folgen. Gewaltenteilung war gestern, Alternativlosigkeit ist die neue Debatte.
Nun gab es, vermutlich sehr zur Freude einer Gruppe von Ministern (m/w/d) einen Bürgerrat, der empfohlen hat, das die freie Meinungsäußerung der Bürger in sozialen Netzen streng zensiert werden soll. KI-gestützte Software solle Postings der Bürger prüfen, die frühestens nach 2 bis 3 Minuten überhaupt erst online gehen können. Unter dem Vorwand angebliche Fake-News zu vermeiden, werden Meinungen unterdrückt und ihre Veröffentlichung verhindert.
Gegen die Verfassung
Natürlich ist so etwas verfassungswidrig. Doch seit Beginn der ersten Regierung Merkel hat die Verfassung für die Bundesregierenden nur noch Empfehlungscharakter. Eurorettung, Bankenrettung, Flüchtlingskrise, Coronamaßnahmen und jüngst auch Klimapolitik sind nur Beispiele, wie Bestimmungen der Verfassung ebenso wie andere nationale wie internationale Rechtsnormen von der Exekutive ignoriert und ausgehebelt werden. Innerhalb eines an sich freiheitlich-demokratischen Staates kommt es immer öfter zu autoritär anmutendem Regierungshandeln, das natürlich nur der Abwendung vermeintlicher (oder echter) Krisen und Notlagen, sowie dem Schutz der Demokratie dienen soll.
So soll jetzt vor allem (wirklich existierende) Putinpropaganda nicht etwa durch Aufklärung, saubere Recherche, eindeutige Berichterstattung und Transparenz bekämpft werden, sie soll vielmehr durch Zensur abgeräumt werden. Da wird der Teufel mit dem Beelzebul ausgetrieben. Denn wer entscheidet denn, was Fake-News ist? In einer Gesellschaft, in der schon die Existenz absoluter Wahrheiten in letzten Dingen geleugnet wird, sollen KI-Systeme absolute Wahrheiten in vorletzten Dingen herstellen. Viel absurder geht es nicht.
Da kein Mensch Zweifel daran hegen sollte, dass eine Regierung, deren Minister und Beamte die Bürger mit einer Flut von Klagen und Anzeigen überziehen und keine Skrupel kennen, dafür Steuergelder mit vollen Händen in Gerichtskassen und Anwaltsportemonnaies zu schaufeln, ebenfalls keine Skrupel haben werden, sich über den Artikel 5 Abs 1 hinwegzusetzen. Auch in anderen Bereichen, beispielsweise in Gestalt von überall eingerichteten Meldestellen, die sogenannte Äußerungen unterhalb der Strafbarkeitsschwelle, das sind legale Meinungsäußerungen, überprüfen und verfolgen sollen, finden die Attacken gegen Art 5 GG statt. Dass sich ein Landesamt für Verfassungsschutz (Bayern) erdreistet, vor einzelnen konkreten Presseorganen zu warnen, passt nur ins System und zeigt, da ja Bayern nicht links regiert wird, einen allgemeinen Trend an. Bitte keine Illusionen machen, dass sich durch einen Regierungswechsel etwas ändern würde. Der Wurm sitzt in der Verwaltung der Behörden und Ministerien. Der Wurm sitzt auch in einer Gesellschaft selber, die der Meinungsfreiheit überdrüssig ist und von der Flut der Nachrichten in sozialen Medien überfordert scheint.
Die Freiheit ist in Gefahr, nicht die Demokratie
Die Probleme sind weitaus vielschichtiger als es auf den ersten Blick scheint, dennoch scheint die Analyse sich weiter zu verschärfen. Nicht die Demokratie ist in Gefahr. Die Wahlen funktionieren und viele gehen hin. Unser Staatswesen hat im Wesentlichen zwei Attribute, es ist freiheitlich-demokratisch. In Gefahr ist in der Tat die Freiheit. Da Freiheit und Demokratie in unserem politischen System eine Symbiose bilden, wird die Demokratie nach der Freiheit sehr wahrscheinlich auch sterben. Indizien dafür lassen sich erkennen, wenn Parteien anderen Parteien absprechen, demokratische Parteien zu sein und zur Behinderung von deren parteipolitischer Arbeit undemokratische Methoden anzuwenden bereit sind. Die Gefahr ist real, lässt sich jedoch nicht mit weiteren autoritären Mitteln wie sogenannten Demokratieförderprogrammen retten. Das Gegenteil ist der Fall. Demokratie rettet man, indem man sie erträgt.
Zu diesem Ertragen gehört eine freie Presse und ein freies Internet. Innerhalb des Internet sind die Sozialen Medien, die als Großplattformen mit nutzergeneriertem Content in den Händen großer multinationaler Konzerne sind, am leichtesten zu kontrollieren und zu zensieren. Oft genug sind die Spitzen der Konzerne persönlich multimilliardenschwere Salonsozialisten und Philanthropen. Nur zu gerne ergeben diese sich freiheitsfeindlichen Rettungsprogrammen für alles Mögliche. Nicht zu zensieren ist das Internet als solches. Die dezentrale Struktur macht es unterm Strich unmöglich, etwas völlig aus dem Netz zu bekommen. Das Darknet wäre die letzte Konsequenz, um seine Meinung immer noch frei äußern zu können. Reichweite allerdings erzielt man damit nicht. Und darum geht es.
Die eigene Seite als Schutz vor Zensur
Nur über soziale Medien und über die Zeitungen, Radio- und Fernsehsender im Mainstream bekommt man Reichweite. Alternative Medien wie Tichys Einblick oder in jüngerer Zeit NIUS zeigen, dass man trotzdem alternativ informieren kann. Für die Privatperson aber auch für den Medienschaffenden ist die eigene Plattform im Netz unbedingt notwendig. Schneidet man mich heute von den Sozialen Medien ab, bleiben mir dennoch meine Seiten. Jeder, der sie gebookmarkt hat, kann nachsehen, was ich denke und schreibe. Und so bleibt es dabei, in Zeiten der drohenden Zensur gilt auch im Internet: Eigener Herd (=Webseite) ist Goldes Wert.