Trusted Flagger: Zensur oder Schutz der Meinungsfreiheit?

„Trusted Flagger“ könnten eine privatisierte Meinungspolizei werden. Es gilt die Meinungsfreiheit konkret zu schützen. 
Es gibt reichlich Soziale Medien, Nimmt die Zensur zu, nimmt ihre Bedeutung ab. Foto: Pixabay

Wer sich zu der Debatte um den ersten zertifizierten „Trusted Flagger“ informieren möchte, findet dazu reichlich Material in den einschlägigen Medien. Sehr engagiert, aber eben in einem dem Portal eigenen Stil berichtet NIUS seit einigen Tagen darüber. Auch WeLT und NZZ aber auch Tichys Einblick und viele andere berichten über das Phänomen.

Im Grunde dreht es sich dabei um eine Privatisierung einer staatlichen Aufgabe, nämlich strafrechtlich relevante Äußerungen im öffentlichen Raum, hier spezifiziert auf den Bereich Soziale Medien zu identifizieren und der strafrechtlichen Verfolgung zuzuführen. So weit, so schlecht. Wenn man in allem, was wirtschaftliches Handeln anbetrifft, Privatisierung für gut und richtig hält, mag das angehen. Staatliche Aufgaben hinsichtlich Recht und Ordnung zu privatisieren ist immer heikel. Entweder weil sich da – wie man an der Abfallwirtschaft sehen kann – ruinöse Wettbewerbe etablieren, die die Allgemeinheit am Ende schädigen. Deutsche Kunststoffabfälle in chinesischen Flüssen sind nur die Spitze dieses Eisberges. In Fragen von Recht und Ordnung kommt noch der Aspekt der Ideologisierung hinzu. Abgesehen von der Staatsknete, die linke Aktivisten schon immer begehrt haben, geht es hier um die Beschränkung eines Grundrechts mit Folgen für alle.

Im Zweifel löschen

Es ist eine Sache, dezidiert strafrechtlich relevante Äußerungen zur Anzeige zu bringen. Es ist klar, dass am Ende ein Gericht urteilen muss, ob eine Straftat vorlag oder nicht. Während staatliche Organe der Strafverfolgung an klare Regeln gebunden sind und die Unschuldsvermutung unbedingt zu gelten hat, wird im Falle der Trusted Flagger genau dieser Aspekt umgekehrt.

Selbst wenn eine Äußerung nicht strafrechtlich relevant sei, so ließ der Leiter von „REspekt“ wissen, werde man eine Löschung herbeiführen. Übersetzt bedeutet dies, alles, was der oben genannten Meldestelle, es handelt sich um eine grüne Vorfeldorganisation, nicht gefällt, soll gelöscht werden. Fachleute, so heißt es immer wieder, befürchten ein Overblocking. Schon beim umstrittenen Netzwerkdurchsetzungsgesetz war dies befürchtet worden. Zahlreiche Klagen gegen soziale Netzwerke waren in Folge dieses Gesetzes nötig geworden, weil die Netzwerke in der Tat lieber löschten als zu prüfen. Mit dem Kauf des Netzwerkes Twitter und der Umwandlung in X kündigte Elon Musk an, solche Praktiken nicht mitzutragen. In der Tat wird bei X deutlich weniger gelöscht. Linke Aktivisten flohen zu Mastodon und kehrten doch zurück. Elon Musk ist derzeit im Visier der EU und wird massiv bedroht, den Lösch- und Zensurkurs der EU mitzumachen. Sollte Donald Trump die kommende Präsidentschaftswahl in den USA gewinnen, befürchten Experten in Europa noch deutlich massivere Angriffe auf das liberale Netzwerk X.

Vor Meinung schützen

Genau entlang dieser Bruchlinie der liberalen Auffassung von einem sozialen Netzwerk und der Ansicht die Menschen vor der frei ausgedrückten Meinung Andersdenkender schützen zu müssen, verläuft die Bruchkante. Niemand will dezidiert rechtsradikale Propaganda in den Sozialen Medien. Ehrlicherweise sollte man linksradikale Propaganda in gleicher Weise verfolgen, denn diese ist nicht minder verfassungsfeindlich. Dass aber gerade die Ampelregierung und ihr nachgeordnete Behörden auf dem linken Auge blind ist, ist kein Geheimnis. Wenn ein Landesamt für Verfassungsschutz die Antifa für demokratisch hält, dann hat eben jenes Amt ein Demokratieverständnis, das der der Volksdemokratie untergegangener sozialistischer Staaten weit mehr entspricht als der von unserer Verfassung begründeten freiheitlichen Demokratie.

Man sollte es sich immer wieder klar machen. Auch die DDR war ein demokratischer Staat. Sie war kein freiheitlicher Staat und kein Rechtsstaat im Sinne einer Rechtsgleichheit aller Bürger. Dem Regime treue Genossen waren weitaus gleicher als Dissidenten. Auch im Habsburgerreich gab es Zensur, doch verglichen mit den sozialistischen Staaten die später auf dem Gebiet des Habsburgerreiches existierten, waren die Habsburger geradezu liberal. Niemand wird jedoch den Habsburgern unterstellen, auch nur einen Hauch Sympathie für Demokratie gehabt zu haben.

Man erkennt hier leicht, es geht – auch wenn man kein Monarchist ist – nicht darum, die Demokratie zu verteidigen. In Deutschland jedenfalls ist sie angesichts steigender Wahlbeteiligungen keinesfalls in Gefahr. In Gefahr ist die Freiheit. Am deutlichsten manifestiert sich dies im Bereich der Meinungsfreiheit. Während in der Zeit der politischen Coronamaßnahmen zeitweise alle Freiheitsrechte mindestens eingeschränkt waren, was durchaus als Versuchsballon angesehen werden darf, sind die Freiheitsrechte auf dem Papier zurück.

Immer mehr Analphabeten

Sie sind aber – das sollte man sich vor Augen führen – auch in der Bevölkerung nicht mehr unumstritten. Während vor 25 Jahren der Rechtekanon der Verfassung noch unbeschränkt von der Mehrheit der Bevölkerung geteilt und als unangreifbar angesehen wurde, bekommt gerade dieser Rechtekanon Schrammen. Es bedarf dazu seismologischer Fähigkeiten, Tendenzen wahrzunehmen, ohne zum Verschwörungstheoretiker zu werden. Die große Weltverschwörung existiert ohnehin nicht, weil es zu viele kleine und winzige Verschwörungen gibt, die allein schon dem Versuch entgegen wirken würden. Es gibt aber weltweite Trends. Der fast vollständig nationenübergreifende Gleichschritt in der Pandemiebekämpfung war kein Ausdruck einer internationalen Gleichschaltung sondern die Folge internationaler Planspiele, die alle und immer das gleiche Handlungsmuster im Falle eine Pandemie lehrte. Das ist keine Verschwörung, das ist Denkfaulheit, Angst und Fantasielosigkeit. Wer es nicht glaubt, lese das Buch „Die Getriebenen“ von Robin Alexander. Leicht erkennt man, wie angstgetrieben die Krisenpolitik von Angela Merkel war. Zugleich liebte Merkel die Krise, denn da konnte sie tun, was sie am besten konnte: phantasie- und planlos reagieren. Diesen Politikstil hat der gegenwärtige Kanzler mit seiner Ampelregierung noch einmal überboten. Die Folge ist ein beispielloser wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Niedergang. In Deutschland leben inzwischen 12 Prozent Analphabeten. Zu Zeit von Kaiser Wilhelm II. waren es 3 Prozent. Energiepreise sind auf Rekordhöhe und die Wirtschaft packt ihre Koffer.

Eine Regierung, die nicht agiert, die nicht vorankommen will, sondern einfach nur das Land ruiniert, kann natürlich keine Kritik dulden. Letztendlich muss man sogar den Mainstreammedien bescheinigen, dass sie langsam aufwachen. OK, die öffentlich-rechtlichen Medien hier ausdrücklich ausgenommen. Hier ergeht man sich immer noch in höchst devoter Regierungspropaganda an Stelle des Auftrags zur Regierungskritik. Der Bürger zahlt ja brav. Und hier schließt sich der Kreis.

Betreutes Denken

Besonders in den ÖRR-Medien ist die Kritik an den freien Sozialen Medien besonders stark. Man möchte seine Lufthoheit über die veröffentlichte Meinung nicht so einfach preisgeben. Wo kommen wir denn hin, wenn Politiker direkt mit dem Bürger kommunizieren, ohne dass ihnen ein öffentlich-rechtlich bestellter Augur die Botschaft der Regierung ausdeutet und erklärt. Das ist betreutes Denken! Natürlich ist dazu ein hoher Anteil an Analphabeten hier recht nützlich. Wer nicht lesen kann, kann sich auch nicht an den Quellen informieren und geht umso leichter den bunten Bildchen und Verlautbarungen in kindlicher Sprache auf den Leim. Am Ende ist auch die Infantilisierung der Gesellschaft ein Aspekt des Angriffs auf die Freiheit, denn nur mündige Bürger haben die vollen Freiheitsrechte. Unmündigen Kindern stehen diese so nicht zu.

Die Situation ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Es ist erstaunlich, in welcher Geschwindigkeit sich gerade jetzt alternative Medien bilden. Wenn der Angriff der Regierung auf die Sozialen Medien weitergeht, wird praktische Meinungsfreiheit weiterziehen. Schon jetzt ist Facebook das Medium, um mit Oma zu chatten. Instagram setzt auf Schönheit, Tiktok ist Tanz und X die Journalistenbubble. Was ist eigentlich ihre Startseite? Meine ist eine selbstgestaltete Seite mit Links zu Nachrichtenportalen, die ich täglich lese und die gehen von taz bis Reitschuster. Vor zehn Jahren ging morgens der erste Blick auf Facebook. Schon lange prophezeie ich die Rückkehr der Linkliste und das Aufkommen alternativer Portale und Blogs. So wird es kommen und das wird uns die Meinungsfreiheit (erstmal) retten.