Zwei Meldungen heute. Beide aus Niedersachsen. Beiden könnten auch aus jedem anderen Bundesland stammen. In Hannover gehen die grüne Politikerin Claudia Roth und der niedersächsische Landwirtschaftsminister auf einem Demonstrationszug mit. Auf diesem werden für beide hörbar von linksradikalen Demonstranten Parolen wie „Deutschland, Du mieses Stück Scheiße“, „Deutschland verrecke“ und „Nie wieder Deutschland“ gebrüllt. Beide Politiker bleiben beim Demonstrationszug und gehen trotz der für keinen Demokraten akzeptablen Parolen weiter mit.
Die andere Nachricht betrifft Osnabrück. Dort meldet sich Pegida zurück, wie NOZ berichtet. Die Bewegung sei sogar im Aufwind, schreibt die Zeitung. Anlaß für den Bericht ist die Tatsache, daß es jetzt wieder eine Facebook- Seite Pegida Osnabrück gibt. Über die Motive könnte man allenfalls spekulieren. Auch die NOZ weiß nicht, ob die Seite für die Organisation von Kundgebungen u.ä. verwendet werden soll.
Unsere Gesellschaft zerfällt immer weiter in politische Extreme. Linke Gewalt ist keineswegs ein aufgebauschtes Problem, wie die Bundesfamilienministerin noch Mitte des vergangenen Jahres behauptete. Die linksextreme Gewaltbereitschaft und die ausgeübte Gewalt in unserem Land nehmen zu. Dazu gehört auch schon die verbale Gewalt, die anderen oder dem Land angetan werden.
Aber es ist nicht die Gewalt allein, die Sorgen bereitet. Es ist der zunehmende Verfall eines gesellschaftlichen Grundkonsens in unserer Gesellschaft, wenn schon die Nachwuchsorganisation einer ehemaligen Volkspartei (hier der SPD) sich ebenfalls Parolen wie „Deutschland, Du mieses Stück Scheiße“ zu eigen macht. Man kann und muß damit rechnen, daß der eine oder andere von den Schreihälsen irgendwann in einem Landesparlament oder sogar im Bundestag sitzt. Man möchte nicht, daß ein Land von einem regiert wird, der gerade dieses Land „Scheiße“ findet. Denn was man scheiße findet, regiert man auch scheiße. Solche Politiker brauchen wir nicht.
Rechte Gewalt z.B. gegen Flüchtlingsheime ist ein Problem. Linke Gewalt gegen unser Land und seine freiheitliche Grundordnung, gegen Menschen mit anderen Meinung und gegen friedliche Demonstranten sind ebenfalls ein Problem. Es nützt nichts, dem einen oder den anderen oder beiden ein politisches Mäntelchen umzuhängen, denn das verharmlost am Ende nur. Gewalt ist Gewalt. Ein Opfer von Gewalt empfindet nach linker Gewalt keine anderen Schmerzen als nach rechter Gewalt.
Politik ist Wettstreit von Meinungen im offenen Diskurs auf allen Ebenen der Gesellschaft und Durchsetzung von Entscheidungen auf der Basis von Mehrheiten. Legt man diesen Maßstab an, muß man derzeit leider sagen, daß kaum noch Politik gemacht wird. Es wird nur noch durchregiert. Opposition? So was gibt es nicht mehr, denn die haben wir weggroßkoalitioniert.
Wenn in der Mitte der Gesellschaft der Diskurs und die Debatte nicht mehr möglich sind, dann zerfällt die Gesellschaft. Zerfällt die Gesellschaft, wird die Debatte in der Mitte durch Gewalt auf der Straße ersetzt. Die Straßenschlachten zwischen Kommunisten und Nazis in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts sollte man sich dazu ins Gedächtnis rufen. Diese und die Folge der Verweigerung gegenüber dem Staat von fast allen politischen Kräften führte unmittelbar in die Dikatur.
Derzeit schafft es die Polizei noch, linke und rechte Gewalttäter daran zu hindern sich offene Straßenschlachten zu liefern. Die Frage ist, wie lange noch. Derzeit schaffen es die Ordnungskräfte noch, bei friedlichen Demonstrationen die Bürger vor Gewalt zu schützen. Aber es wird einem schon mulmig, wenn man die massive Gewaltbereitschaft linker Gegendemonstranten in Berlin oder Stuttgart erlebt. Bislang ist es immer noch gut ausgegangen.
Pegida macht, wenn man wirklich ernsthaft nachdenkt, deutlich weniger Angst als ein Schwarzer Block. Doch auch Pegida ist ein Symptom, das zeigt, woran unsere politische Kultur krankt: Die Fähigkeit zur Auseinandersetzung und zum offenen Streit über offene Frage. Mit einem platten „Wir schaffen das“ ist den Menschen nicht gedient, die vor Ort erleben, daß die Grenzen der Leistungsfähigkeit schon lange überschritten sind. Wer Angst hat, weil er mit seinen Sorgen nur noch ignoriert wird, landet dann eben bei Pegida oder im Schwarzen Block.
Wer Visionen hat solle zum Arzt gehen und nicht in die Politik, riet der kürzlich verstorbene Helmut Schmidt. So weit, so gut. Doch eine reine Politik auf Sicht, die jedes perspektivische Denken abwürgt, führt eben am Ende zu einer Politik der Plattitüden. Und eine Politik der Plattitüden atomisiert die Gesellschaft. Sie treibt die Menschen über die Unzufriedenheit in die Extreme und am Ende die ganz Extremen in die Gewalt. Die Spirale der Gewalt und der Einschränkung der Freiheit, auch der Meinungsfreiheit, um der Gewalt zu wehren, dreht sich so lange weiter, bis die Freiheit endgültig gestorben ist.
Noch wäre Zeit zum Umdenken.