Wer um alles in der Welt soll denn Kanzler werden?

Koalitionen
Wie soll die künftige Regierung aussehen. Eine umgekehrte Ampel unter grüner Führung oder eine sogenannte Deutschlandkoalition? (Die Elemente des Bildes sind gemeinfrei)

Es ist wohl die meistdiskutierte Frage dieser Tage. Das liegt daran, dass man davon ausgeht, dass die Parteien drei völlig unfähige Kandidaten nominiert haben. Da ist – Ladies first – die in Medienberichten als naiv daher kommendes Schummelchen dargestellte Annalena Baerbock, die zu Beginn ihrer Kandidatur schon als klare Favoritin gehypt wurde. Wir haben im Angebot den superblassen Bundesfinanzminister Olaf Scholz, der am Anfang als komplett chancenlos galt und sich nun Hoffnungen machen soll. Medienwunschtheater, mehr ist das nicht. Last not least haben wir den, der es wohl werden wird, den Ministerpräsidenten von NRW, Armin Laschet. Kaum anzunehmen, dass ein Westfale einem schunkelnden Rheinländer freiwillig seine Stimme geben wird. Das wird auch in meinem Falle nicht geschehen. Nachdem sich der Ministerpräsident von NRW für die Verlängerung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite bis Ende des Jahres ausgesprochen hat, ist er für alle, die die Freiheit lieben, dem Grunde nach nicht mehr wählbar. Derzeit wird er zudem in den Medien grandios niedergeschrieben, weil die Demoskopen ihn gerade downgraden. Doch Demoskopen unserer Tage sind ähnlich präzise wie die Meteorologen der 70er Jahre. Egal, wer die Regierung übernimmt. Wir stecken in einer verfahrenen Ausgangslage. Einerseits ist das Land in einem jämmerlichen Zustand, andererseits steht keiner der Kandidaten für einen Aufbruch in eine andere, wirklich fundamental andere Politik.

16 Jahre auf Sicht

Seit 16 Jahren wird die Politik in Deutschland vorwiegend auf Krisenniveau gefahren. Angefangen mit der Eurokrise, der Flüchtlingskrise, der Klimakrise und nun die Coronakrise. Man kann die noch immer amtierende Kanzlerin wohl zu Recht als Krisenkanzlerin bezeichnen, denn anderes als – fragwürdige – Krisenbewältigung wird die Geschichtsschreibung von dieser Kanzlerschaft nicht übrig lassen. In allen Krisen wurden der Kanzlerin von Fachleuten Rechtsbrüche vorgeworfen. In allen Krisen musste Deutschland Federn lassen. Trotzdem wird die nun hoffentlich bald scheidende Kanzlerin für ihre Erfolge in den Medien gefeiert. Lange Zeit hieß es, die Kanzlerin fahre auf Sicht. Wenn man das Bonmot von Helmut Schmidt noch einmal hervorkramt, soll ein Politiker besser keine Visionen haben, Ziele der Politik sollten schon formuliert werden und sich an den Notwendigkeiten des Landes orientieren. Lassen wir den Historikern die üblichen 50 Jahre, bis sie sich zu den vergangenen 16 Jahren äußern werden. Das Urteil wird dann wohl anders ausfallen als das des gegenwärtigen Mainstreams.

Eine Folge der Kanzlerschaft der Ziellosigkeit ist auch ein Verschwimmen der Konturen in der politischen Landschaft. Eigentlich weiß niemand mehr wer wofür steht. Ein klares Familienbild der Familie als Kern und Keimzelle der Gesellschaft wurde aufgegeben. Familien wurde geschwächt mit dramatischen Folgen. Am Anfang der Kanzlerschaft stand die Grundsteinlegung für die Schuldenunion rund um den Euro. Am Ende der Kanzlerschaft steht das Schuldencrescendo der Coronamaßnahmen, das den Bundeshaushalt auf absehbare Zeit ruiniert haben wird. Die schwarze Null der seriösen Haushaltsführung ist in sehr ferne Zukunft gerückt. Die Großkoalitionierung unseres Landes hat dazu geführt, dass aus rot und schwarz und grün eine ununterscheidbare politische Farbmatsche wurde, die uns ein Erstarken der politischen Extreme links und rechts serviert hat. Die AfD ist ein leibliches Kind der noch amtierenden Kanzlerin. Die AfD bindet, schärft, stärkt und kumuliert polarisierende politische Kräfte, die früher mit Hilfe demokratischer Bindung in der CDU integrativ mitlaufen konnten, ohne sich zu Extremisten zu entwickeln. Der Linksruck der CDU hat ein Vakuum entstehen lassen, das sich flugs füllte. Auffällig ist, dass sich die AfD keine eigenen Themen zu geben versteht. Sie sind contra Euro, contra Flüchtlinge, contra Corona. Alle Panikmache in Bezug auf die AfD ist so lange unnötig, wie die AfD das Protestwählerpotential nicht überschreiten kann. Sie ist lästig und sie wäre überflüssig gewesen. Gleiches gilt übrigens für die in „Die Linke“ umlackierte SED, die nach wie vor eine demokratiefeindliche Partei ist und als DDR-Staatspartei für einen Unrechtsstaat die Verantwortung trug. Sie sollte längst in keinem deutschen Parlament mehr sitzen.

Allen medialen Lobeshymnen zum Trotz hat die Regierung in den vergangenen 16 Jahren schlechte Arbeit gemacht. Deutschland ist Schlusslicht bei der Digitalisierung. Deutschland hat kein Silicon Valley und Deutschland hat keine Antwort auf die nach der Decarbonisierung drohende Energiekrise. Windmühlen sind keine zukunftsfähige Technologie. Einst führender Kernkraftwerkshersteller, schaltet unser Land die einzige klimafreundliche Technologie bald endgültig ab. Ein einsamer Entschluss der Kanzlerin gegen die Entscheidung der Partei.

Einsame Entscheidungen

Die Abschaltung der Kernkraftwerke ist geradezu mustergültig für das Regierungshandeln der vergangenen 16 Jahre: Einsame Entscheidungen ohne die künftigen Konsequenzen zu bedenken werden aus einer konkreten Situation heraus getroffen, die jedoch nicht analysiert sondern nur genutzt wird. In dieser Kanzlerschaft sind keine Perspektiven für ein Land in einer prekären demografischen Lage entstanden. Der Mangel an Fachkräften in allen Bereichen der Wirtschaft wird uns gewaltig auf die Füße fallen. Bioethik und Lebensschutz sind nur noch zerfledderte Schatten einer einst an christlichen Werten orientierten Politik. Am Ende der Kanzlerschaft Merkel ist auch die Verfassung gefleddert, die Grundrechte sind weitestgehend außer Kraft gesetzt und ein Ende des zur Regel gewordenen Ausnahmezustandes ist nicht in Sicht. Gerade hört man wieder von Durchhalten bis zum Frühjahr. Es fehlt die Jahresangabe.

Nur in einem ist die Kanzlerin der Tradition der CDU treu geblieben: Kronprinzen wurden und werden rechtzeitig gemeuchelt. Starke Persönlichkeiten werden nicht geduldet. Perfekt gemacht. So wird man zur ewigen Kanzlerin.

Der Realkandidat

Armin Laschet, so wird gesagt, konnte Ministerpräsident werden, weil Hannelore Kraft das Land NRW dermaßen ruiniert hatte, dass sogar der dauerfröhliche Laschet es nur besser machen konnte. Und er hat es besser gemacht.

Egal in welchen Bereich man schaut, steht das Land NRW nach recht kurzer Zeit wesentlich besser da als lange zuvor. Sowohl in der Bildungspolitik ist eine – coronabedingt retardierte – Verbesserung zu spüren. In den Bereichen Sicherheit, Wirtschaft, Bauen, Infrastruktur kann man Verbesserungen bemerken. Nicht, dass man es nicht vielleicht noch besser machen könnte. Besser geht immer, schlechter allerdings auch. Doch man merkt, dass in der Regierung des Bundeslandes NRW seriös und verlässlich gearbeitet wird. Themen, die auf der Agenda stehen, werden abgearbeitet. Man schaue nur auf die marode Brückenlandschaft in NRW. Seit Laschet regiert, wird hier konsequent saniert. Hier in NRW regiert eine Koalition aus CDU und FDP. Das war für Jahrzehnte in Deutschland ein Erfolgsmodell. Das Scheitern der letzten schwarzgelben Koalition im Bund kann sich eine extrem antiliberal agierende Kanzlerin zuschreiben.

Nach der Bundestagswahl im September, so zeigt der Blick in die Umfragen, ist in Berlin eine recht unübersichtliche Lage zu erwarten, die eine mindestens Dreiparteienkoalition erfordern wird. Diese muss erst einmal geschmiedet werden. Ob es also in diesem Jahr noch zu einer Regierungsbildung kommen wird, steht in den Sternen. Realistisch ist wohl eine neue Regierung erst zu Beginn des Jahres 2022 zu erwarten.

Ernsthafte Optionen sind gegenwärtig die sogenannte Ampel (rot-gelb-grün), die dann wohl unter grüner Führung zu einer Kanzlerin Baerbock führen wird, und die sogenannte Deutschlandkoalition schwarz-rot-gelb unter CDU-Führung mit einem Kanzler Laschet. Das kann in einer Woche schon wieder anders aussehen. Die Dynamik ist beeindrucken.

Mal wieder mit Opposition

Der Vorteil der Ampelkoalition wäre es, dass es in Deutschland möglicherweise seit langer Zeit mal wieder eine echte parlamentarische Opposition gäbe, die allerdings wohl kaum länger als vier Jahre dauern wird. Eine Regierung unter grüner Führung dürfte den Menschen im Land sehr schnell über sein. Die Verbotsorgie und die Freiheitsbeschneidungen zeichnen sich schon jetzt ab. Manche Beobachter der politischen Welt in Berlin sagen, eine kurze Phase grüner Regierung könnte dem Land gut tun, weil die Die CDU hätte vier Jahre zur Reorientierung, Restrukturierung und zum Kräfte tanken samt personeller Neuaufstellung, um danach als ernstzunehmende bürgerlich- konservative Kraft neu durchstarten zu können. Gelingt dies im Falle einer grünen Regierungsübernahme nicht, geht die CDU den weg aller europäischen Christdemokraten.

Eine Deutschlandkoalition hätte den Vorteil, mit dem seriösen Arbeiter Armin Laschet einen echten Fleißkanzler an der Spitze zu haben. Der Nachteil wäre eine CDU, die ausgelaugt wie sie ist, sich in der Regierung erneuern müsste. Ein doppelter Kraftakt, der kaum zu bewältigen ist, der aber in der Tat einem fleißigen Arbeitskanzler Laschet gelingen könnte.

Kein Hurra, aber Erleichterung

Da ist kein Hurra, das Armin Laschet ins Amt führt und im Amt begleiten wird. Es ist der blanke Pragmatismus, der an dieser Stelle in einem fröhlichen Rheinländer wider allen tierischen Ernst eine echte Hoffnung für die deutsche Politik sieht. Die CDU täte gut daran, jegliches Störfeuer aus München und Berlin tunlichst zu unterbinden. Das nützt nur den Gegnern. Es gibt nämlich abgesehen von der schlecht verborgenen Präferenz der Amtsinhaberin für eine Nachfolgerin Baerbock eigentlich keinen Grund für die CDU den Grünen ihren Wahlkampf abzunehmen.

Alles spekulieren nützt gar nichts, auch diese nüchterne Überlegung hinsichtlich der politischen Zukunft des Landes wird am Abend des 26.9.2021 Makulatur sein und dem Primat der Wirklichkeit der Wahlentscheidung des deutschen Volkes weichen müssen. Doch es bleibt dabei, die Hoffnung, auf die Hoffnung auf politische Vernunft stirbt zuletzt.