Die Säkularisierung schreitet fort. Zunehmend werden auch kirchliche Feste als gesetzliche Feiertage in Frage gestellt werden. Es ist Zeit offensiv zu werden. 
Die Krippe zu Weihnachten sagt nicht mehr jedem etwas. Weihnachten ist nur noch ein Fest der Familie und der Gemeinschaft.
Bild von Here and now, unfortunately, ends my journey on Pixabay auf Pixabay

Es hat ausnahmsweise mal nichts mit der pandemisch-politischen Dystopie zu tun, trotzdem wird das Weihnachtsfest 2021 vermutlich ein historisch bedeutendes sein. Es ist das letzte Weihnachtsfest in Deutschland, zu dem eine Mehrheit der Deutschen zumindest nominell Christen waren. Das stellt nun nicht gleich Weihnachten in Frage, doch es stellt andere christliche Feste in Frage.

Die Sinnfrage

Feiertage ergeben dann und nur dann einen Sinn, wenn man etwas mit dem Inhalt verbindet. So erfreut sich der 3. Oktober in Deutschland als Nationalfeiertag immer noch keiner großen Beliebtheit, da er keinen emotional-historischen Bezug herzustellen vermag. Der 9. November wäre im Grunde dieser Tag, doch als Gedenktag der Pogromnacht schien er nicht so geeignet. Dabei zeigt kein anderer Tag so sehr die Ambivalenz der deutschen Geschichte. Am 9. November 1918 wurde in Berlin die Republik ausgerufen, am 9. November 1948 endete faktische die Märzrevolution. Deutschland braucht einen emotionalen Nationalfeiertag, der dem deutschen Wesen entsprechend mehr den Charakter eines Gedenktages hat. Damit wären wir besser gefahren.

Komplett vergessen

Was sich am 3. Oktober so schön zeigen lässt, ist auf christliche Feste übertragbar. Längst haben Politik und Wirtschaftsverbände den Pfingstmontag im Visier. Da Umfragen zu Folge ohnehin kaum noch jemand weiß, was die Festinhalte von Ostern, Christi Himmelfahrt und Pfingsten, sowie Fronleichnam (nicht bundeseinheitlich frei) sind, dienen sie als gern genommene Pfeiler für Brückentage, die Urlaubstage verlängern. Feiertage erfüllen dann und nur dann langfristig ihren Sinn, wenn der Festinhalt Kern des Tagesgeschehens am Feiertag ist. Für Fronleichnam ist es mit der Prozession vielleicht öffentlich am deutlichsten Sichtbar oder – dort wo es keine Prozessionen mehr gibt – unsichtbar. Jede Fronleichnamsprozession, die ausfällt, ist ein Axtschlag an die Wurzel des arbeitsfreien Fronleichnamstages.

Gleiches gilt für die Gottesdienstteilnahme an den anderen christlichen Festen. Denn der Kern des Festgeschehens bei christlichen Festen wird gerade in der Liturgie gefeiert und von sonstigen kirchlichen wie weltlichen Festbräuchen umrahmt. Entfällt der Kern, bleiben am Ende einige weltliche Bräuche übrig. Der Christbaum wird zu Weihnachten auf dort geschmückt, wo die weihnachtliche Liturgie schon lange nicht mehr gefeiert wird. Ostereier suchen auch Kinder, deren Eltern nicht einmal im Traum darauf kämen, die Osternacht mitzufeiern. Ja, mehr noch, zeichnet sich postpandemisch ein Trend ab, die Erstkommunionfeier von der Kirche zu entkoppeln und einfach für die Kinder ein Fest mit weißem Kleid, Verwandtenbesuch und Rahmenprogramm auszurichten. Schon vor Jahren gab es Diskussionen um den Gottesdienstzeitpunkt, da der für das Kind eigens bestellte Clown keinen anderen Termin frei hat. Das Problem entfällt, entfällt der Kirchbesuch von vornherein.

Christliche Dominanz

Vor diesem Hintergrund ist es keine Frage, dass nicht nur in Österreich, sondern auch bald in Deutschland die Dominanz christlicher Feiertage unter den gesetzlichen Feiertagen in Frage gestellt werden wird. In Österreich sind die Feiertage im Konkordat geregelt. In Deutschland ist das, so weit ich weiß, nicht der Fall. Sicher hat der Staat selber Zugriff auf Festtage in eigener Verantwortung. Wir haben den Neujahrstag, der ein Mischfeiertag ist, als Oktavtag von Weihnachten oder als Hochfest der Gottesmutter Maria, den 1. Mai als Hochfest der sozialistischen Internationale (eingeführt allerdings kurioserweise von nationalen Sozialisten), den Tag der deutschen Einheit, den internationalen Frauentag (8.3. – auch ein Fest der Sozialisten) in Berlin und in Thüringen den Weltkindertag (20.9. – auch hier ein Festtag mit sozialistischem Hintergrund).

Mit zunehmender Zuwanderung nach Deutschland hinein wird es immer schwieriger einen islamischen Feiertag zurückzuweisen. Zwar hat der Islam in Nordwesteuropa keine historische Beheimatung, es gilt jedoch den eingetretenen Realitäten Respekt zu zollen. Über Kurz oder Lang werden auch andere Gruppen ihren Anspruch anmelden, der je nach gesellschaftlicher Präsenz mehr oder wenige Relevanz haben wird.

Tief gespalten

Die Gaga- Ansage von Olaf Scholz, die Gesellschaft sei nicht gespalten, falsifiziert sich schon anhand eines einfachen Blickes auf die religiösen Überzeugungen der Bevölkerung. Dafür braucht man nicht einmal eine Impffrage stellen. In der Vergangenheit war zumindest grundsätzliche die religiöse Hegemonie eines Glaubens ein wesentliches Instrument der Gemeinschaftsstiftung in einem politischen Verbund. Aus der Antike wissen wir, dass der Versuch der Diversität ins Chaos führte. Ob ein moderner Weg weltanschaulich- religiöser Diversität einen anderen Weg gehen wird, wird gerade probiert, in einem gesamtgesellschaftlichen Großversuch herauszufinden.

Ein Weg zum Frieden wäre es vielleicht der Diversität Rechnung zu tragen, indem man bei gemeinsam arbeitsfreien Feiertagen zu einem absoluten Minimum kommt. Drei bis vier staatliche Feiertage würde ausreichen. Die entgangene Freizeit kann man den Arbeitnehmern ausgleichen, indem man eine Zahl von vier bis fünf Feiertagen festlegt, die frei wählbar sind, aber an religiöse oder weltanschauliche Feste gebunden sind. Dann können Christen, Juden, Hindus oder Muslime ihre Feiertage frei nehmen und angemessen feiern. Dass man in unserem kulturellen Kontext Weihnachten vorerst erhalten wird, ist dabei im Grunde keine Frage. Gemeinsame Feste sind eben gemeinschaftsstiftend. Daran sollte man nicht die Axt legen.

Besser offensiv sein

Was aber nicht mehr trägt, sollte man besser auf andere Füße stellen, bevor es krachend zusammenbricht und nicht mehr wieder hergestellt werden kann. Es ist aus meiner Sicht nur eine Frage der Zeit, bis ein Wirtschaftsverband den Pfingstmontag als Ausgleichstag für die Schäden der Pandemie vorschlägt. Man sollte nicht darauf warten. Was man frühzeitig selber in die Hand nimmt, das kann man gestalten. Was einem oktroyiert wird, ist am Ende nur noch eine zu schluckende Kröte. Wenn in der Kirche so viel davon gesprochen wird, sich dem gesellschaftlichen Wandel zu stellen, dann ist hier ein lohnendes Feld. Ein Fronleichnamstag, als Beispiel, für den sich katholische Arbeitnehmer bewusst als freien Tag entscheiden, könnte eigentlich nur gewinnen.