Mit P. Kentenich wankt der nächste charismatische Gründer. Es scheint, als müssten wir uns von Gründern fernhalten. Es geht um den Willen des Herrn.

Figur von Pater Josef Kentenich

Figur von Pater Josef Kentenich im Garten des Weidtmanschen Schlösschens in Koblenz.
Foto: Holger Weinandt cc-by-sa-3.0-de

Da wankt schon wieder ein Denkmal. Das Ungeheuer des sexuellen und oft in Verbindung damit geistlichen Missbrauchs geht um. Der nächste Verdächtige ist der Gründer der Schönstattbewegung, P. Josef Kentenich. Die Vorwürfe, die die Historikerin Alexandra von Teuffenbach erhebt, sind dramatisch. Für den Pater läuft die Seligsprechung und wenn nur ein Bruchteil dessen wahr ist, was derzeit von den einen behauptet und von den anderen bestritten wird, dann dürfte die Seligsprechung erledigt sein.

Hier ist nicht der Ort, die historische Wahrheit zu klären. Der Streit läuft inzwischen auf allen Ebenen. Das Bistum Trier wird erneut eine Historikerkommission einsetzen. Die Historiker sind jetzt am Zuge. Es gilt zu klären, wo man sicher sagen kann, was geschehen ist und wo man diese Sicherheit nicht hat. Es gilt zu klären, was die historische Wahrheit ist, um sagen zu können, ob der Pater ein heiligmäßiges Leben geführt hat oder nicht.

Schon wieder ein Gründer

Eine solche Entdeckung, dass womöglich schon wieder eine Gründerpersönlichkeit der jüngeren Kirchengeschichte sich übel an Menschen sexuell vergangen hat, ist eine Erschütterung für die ganze Kirche. Wir haben ein Problem, Verstöße gegen das sechste Gebot sind in der Regel immer schwere Materie. Früher nannte man so etwas Todsünde. Moderne Erkenntnisse der Psychologie zeigen, dass der freie Wille an den Trieben seine Grenzen erfährt. Wo diese Verlaufen vermag allerdings niemand aufzuzeigen. Das Problem ist Konflikt zwischen einerseits der Annahme einer unbedingten Willensfreiheit des Menschen und der Gegenthese, dass überall dort, wo der Mensch von seinen Trieben gesteuert ist, keine Freiheit existiert.

Nahm die Gehirnforschung in Folge der Erkenntnisse aus der Psychologie lange an, den freien Willen bestreiten zu müssen, erlebt der freie Wille in jüngerer Zeit geradezu eine Renaissance in der Gehirnforschung. Wir können offensichtlich weitaus mehr selber entscheiden, als es die Erben von Sigmund Freund lange glaubten. Das alles sind neben der historischen Einordnung Fragen, denen wir uns stellen müssen. Geistliche Gemeinschaften sind Orte, an denen die Freiheit der Kinder Gottes erlebbar sein sollte. Das gilt für Mitglieder ebenso wie für alle, mit denen die Gemeinschaften in Kontakt kommen.

Wir fragen uns, warum Klöster leer stehen, Institute geweihten Lebens keinen Nachwuchs haben, Gemeinschaften die Mitglieder davon laufen. Nicht alles lässt sich mit sexuellem oder geistlichem Missbrauch erklären. Wir haben eindeutig ein Problem der Glaubenstradition, die abgerissen ist. Aber auch die inneren Strukturen der Gemeinschaften scheinen ein Problem zu sein.

Über allem die Liebe

Nach dem Skandal um den Gründer der Legionäre Christi, die – so weit man es von außen beobachten kann – diesen gut verarbeitet und die Emanzipation von ihrer verdorbenen Gründerfigur hingekriegt haben, steht nun die nächste Gründerpersönlichkeit im Fokus. Man kann die Schönstättern auch nur wünschen, dass sie es hinkriegen und nicht daran zerbrechen. Manchmal muss man sich vor verdorrten Wurzeln trennen, weil sie den Körper schwächen.
Gründer, Äbte, Priore, Oberinnen, Bischöfe und zahlreiche andere Führungspersönlichkeiten im kirchlichen Kontext stehen im Konfliktfeld zwischen modernen Führungsmethoden, die in unserer Zeit ihren Sinn haben und der kirchlichen Tradition der evangelischen Räte. Doch über all dem steht die Liebe.

Es braucht eine Wiederentdeckung der Liebe in Klöstern und Gemeinschaften. Wie kann es sein, dass eine Abtswahl eine Apostolische Visitation erfordert oder erst gar nicht stattfinden kann. Klöster und Gemeinschaften verlieren zu Hauf ihre Lebensfähigkeit oder werden zu reinen Konzernen in den Händen einer wirtschaftlich saturierten, geistlich ausgekehrten Gemeinschaft.

Der Fall Kentenich ist der aktuelle Skandal. Ergebnis offen. Es gibt viele, viele Skandale und Skandälchen um Klöster und Gemeinschaften, die ihre Führung verlieren, ihre Mitglieder verlieren, Unreife konservieren, sich Entwicklung verschließen. Die Skandale die öffentlich werden, sind die Spitze einer Art geistlichem Eisberg, der im Meer der Kirche schwimmt und noch so manches Klosterschiff zu versenken droht.

Was will der Herr von uns?

Die Krise der Gemeinschaften ist ein Bild der Krise der Kirche. Im Mittelalter war es nicht anders. Die Lösung der Krise kam allerdings aus den Klöstern. Cluny sei als ein Beispiel genannt. Cluny war plötzlich der Archetypus des monastischen Klosters über Jahrhunderte. Cluny ist eine Ruine, auch im übertragenen Sinne. Lange sah es so aus, als seien die Neuen geistlichen Gemeinschaften die Antwort auf die Herausforderung der Zeit. Jetzt gerade sieht es nicht danach aus, denn auch hier setzt das Verblühen schon ein. Gemeinschaften wie Heiligenkreuz in Österreich zeigen, wie es heute aussehen kann. Klöster und Gemeinschaften dürfen keine geistlichen Konservendosen sein. Sie müssen sich den Fragen und Herausforderungen ihrer Zeit stellen. Darauf kommt es an. Verabschieden wir uns von charismatischen Gründern. Fragen wir lieber, was der Herr in unserer Zeit von uns will.