Mal wieder ein Interview von einem Bischof, das er besser nicht gegeben hätte. Irgendwas lebt da in Menschen, die nur einmal im Jahr zur Kirche gehen. Hoffentlich ist es kein Parasit. Der Erzbischof jedenfalls ignoriert Kirchengebote wie auch theologische Redlichkeit zu Gunsten eines flachen Populismus. Das braucht einfach niemand.

In einem Interview mit einer Provinzzeitschrift sprach sich der Erzbischof von Bamberg gegen den Begriff „U-Boot-Christen“ für Menschen aus, die nur zu Weihnachten in die Kirche gingen. Geprägt oder früh verbreitet hatte den Begriff der heutige Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann in seiner Zeit als Paderborner Weihbischof im Rahmen einer Predigt, in der er die Begriff auch erklärte. Das seien, so der damalige Auxiliarbischof, Christen, die zu Weihnachten auftauchten, dann untertauchten, ein Jahr nicht zu sehen seien, um dann wieder aufzutauchen. Auch wenn man Polemik annehmen kann, die dem damals als sehr konservativ geltenden Weihbischof durchaus zu eigen war, trifft die Beschreibung zu.
Trotz des Zutreffens der Beschreibung wehrt sich der Bamberger Oberhirte gegen die Verwendung des Begriffes und nennt den sonntägliche Kirchgang wichtig, aber er sei nicht das einzige Kriterium, so der Erzbischof. „Wer nur an Weihnachten kommt“, sagte Gössl wörtlich, „zeigt: Etwas lebt in ihm.“ Als Sci-Fi-Fan hoffe ich natürlich, dass es kein Parasit ist, wie beispielsweise ein Goa‘uld.
Welches Leben?
Was auch immer der Erzbischof da glaubt an Leben feststellen zu können, in den allermeisten Fällen wird es eine Mischung aus Tradition, familiärem Druck, Sentimentalität und einfachem Mitläufertum sein. Für Katholiken gilt selbstverständlich weiterhin das erste Kirchengebot, in dem die Sonntagspflicht festgelegt ist. Das ist nicht nur irgendwie wichtig, es ist ein Gebot, dessen Übertretung ohne einen von der Kirche akzeptierten Hinderungsgrund, wie Beaufsichtigung von Kindern, Pflege von Alten und Kranken, eigene Krankheit oder Gebrechlichkeit in der Tat eine schwere Materie darstellt. Diese leichtfertige und populistische Ansage ist im Grunde nichts als eine schallende Ohrfeige für alle, die sich treu und brav an jedem Sonntag zur Hl. Messe quälen, selbst wenn sie wissen, dass sie hinsichtlich von Liturgie oder Predigt eine mittlere bis schwere Katastrophe erwartet. Das Ausmaß an Lustlosigkeit zur Teilnahme an der wöchentlichen Sonntagsmesse kann angesichts dessen, was einem in der Provinz an so manchen Sonntag serviert wird, gegen unendlich gehen.
Wäre es da nicht eine weitaus bessere Idee, man beschränkt sich auf die Weihnachtsmesse, am besten an einem Ort, der für feierliche Liturgie und gute Predigten bekannt ist? Der Erzbischof erkennt dann an, dass da etwas lebt. Na toll. Diese Art Auslegung des ersten Gebots der Kirche empfinde ich als unsagbar sophistisch mit einem Schuss Zynismus. Denn die Lösung, die der Erzbischof von Bamberg anbietet, sieht so aus: Mit Zahlung meiner Kirchensteuer kaufe ich mich von der Sonntagspflicht frei, weil ich dem Grunde nach aus Frust längst aus dieser Kirche ausgetreten wäre. Weil da etwas in mir lebt, besuche ich – naja, wenn es halt passt – den Weihnachtsgottesdienst. Praktischerweise, weil sie ja so niedlich sind, den Familienweihnachtswortgottesdienst mit Krippenspiel des örtlichen Kindergartens. Da ist man in 30 Minuten fertig und kann gemütlich mit einen Cognac vorm Kamin sitzen, wenn die anderen in lausiger Kälte zur Christmette aufbrechen.
Jetzt bräuchte ich nur noch einen guten Anwalt, der mich beim Gericht am jüngsten Tag mit der Nummer rauspaukt. Und da liegt das Problem, vermutlich würde ich keinen finden, der sich das zutraut. Diejenigen allerdings, die die Gebote Gottes und der Kirche längst vergessen haben, die sich eigentlich auch gar nicht mehr erinnern, dass sie selber eigentlich Christen sein sollten, die völlig verdrängt haben, was ihnen vielleicht einmal ihr Gewissen sagte, jene können nun getrost darauf vertrauen, dass sie keine U-Boot-Christen mehr sind.
Leer auch an Weihnachten
Denn auch das sollte man bedenken, während man vor dreißig Jahren wegen der ganzen U-Boot-Christen mindestens 45 Minuten vor der Messe in der Kirche sein sollte, wollte man noch einen Sitzplatz bekommen, reicht es für einen Platz in den vorderen Reihen heute, 10 Minuten vorher dazu sein. Auch an Weihnachten sind die Kirchen leer. Auch an Weihnachten interessiert sich niemand mehr für eine Kirche, die irgendwas zwischen nichts und einem weichgespülten Christentum light samt Gender-, Migrations- und Klimareligion anzubieten hat. Das braucht keiner. In der evangelischen Kirche, genauer in der Sankt-Nikolai-Kirche Stiekelkamperfehn bei Leer gab es in den vergangenen Tagen einen Gottesdienst mit Poledance. Leicht geschürzte Frauen, die an Stangen erotische Tänze aufführen. Dafür zahlt man gewöhnlich viel Eintritt und stark überhöhte Getränkepreise. Die örtliche Pastorin Lisa Koens bezeichnete es als einen Befreiungsschlag, der gut in die Adventszeit passe- aus religiöser und feministischer Sicht. Ich habe keine Ahnung, was Frau Koens gelernt hat und was sie beruflich macht, erotische Tänze haben in Gottesdiensten so wenig verloren, wie Techno oder Discofox. Das ist selbst für eine ordentliche Blasphemie zu schlecht.
Und jetzt komme mir keiner damit, an dieser Stelle fetzige Lobpreismusik zu bashen. Das ist etwas völlig anderes und steht in Sachen Niveau nicht nur auf einer anderen Ebene, sondern in einem anderen Universum.
Sowohl der Erzbischof von Bamberg als auch die Stiekelkampferfehner Pastorin zeigen vor allem eines: Die Herausforderung vor die uns der christliche Glaube stellt, überfordert inzwischen die schlecht ausgebildeten und geistlich verflachten Amtsträger. Der Poledance sollte an dieser Stelle nur zeigen, wie tief man sinken kann, wenn man mit dem Sinkflug erst einmal begonnen hat.
Was um alles in der Welt feiern wir?
Um die Fragen mal konkret zu machen. Wie kann man Weihnachten feiern, ohne zuvor durch den Advent gegangen zu sein. Wie kann man Weihnachten feiern, ohne sich sofort und unmittelbar dem Martyrium des Heiligen Stephanus zu stellen, die Heilige Familie zu meditieren, der unschuldig getöteten Kinder unter Herodes zu gedenken und zu verstehen, wie viel das mit einer Gesellschaft zu tun hat, die jährlich hunderttausend Kinder vorgeburtlich tötet, sich der Taufe Jesu bewusst zu werden, die unterschiedlichen Aspekte der Darstellung des Herrn im Tempel zu bedenken und von dort über eine kurze Distanz Jahreskreis auf die Passion, den Tod und die Auferstehung des Herrn zuzugehen, um danach in der langen grünen Zeit das Leben des Herrn immer neu mitzuerleben, was am Ende auf das Christkönigsfest zu führt und uns klarmacht, wohin der Weg von Pfingsten aus geht: Auf die Parusie zu. Und da capo. Jahr für Jahr für Jahr, weil wir Menschen viele Wiederholungen brauchen, um immer tiefer in dieses unglaubliche Geheimnis einzudringen, was von Weihnachten ausgeht. Und das Wort ist Fleisch geworden.
Und nun sollte Gössl mir mal erklären, was er denn glaubt, was da lebt, wenn einer als U-Boot-Christ bei ihm an Weihnachten im Dom auftaucht. Solches dumme Gerede von Bischöfen macht mich einfach nur traurig. Es ist – wenn ich genau hinsehe – dieselbe Traurigkeit, die seit der kirchlichen Coronaverbannung der Gläubigen in mir ist. Es ist dieses Gefühl, dass diejenigen, die uns im Glauben unterweisen und unseren Glauben stärken sollen, nichts als theologische und geistliche Weicheier sind. Es ist maßlos traurig und es wird umso trauriger, als die Angriffe auf die Kirche, den Glauben und die Gläubigen immer subtiler und immer härter werden und die Hirten immer geschmeidiger, freundlich lächelnd an der Seite der Angreifer stehen. Sie stehen da vermutlich auch dann noch – debil grinsend – wenn die Schergen mit den Handschellen schon hinter ihnen stehen, denn auch die willigen Helfer werden nicht davonkommen. Das wäre zu gefährlich.
