Hauptsache Hass und Hetze entdeckt

Hass und Hetze ist die Universalwaffe zur Verhinderung der Debatte, der Diskussion, der echten Auseinandersetzung um die Sache. Wer gegen den woke gedachten Mainstream spricht, macht sich Hass und Hetze schuldig. Damit wird Vielfalt zur Einfalt und Fortschritt zu Stillstand. 
Hass und Hetze sind Begriffe, die wie eine Bombarde eingesetzt werden. Foto: Gemeinfrei
Hass und Hetze sind Begriffe, die wie eine Bombarde eingesetzt werden. Foto: Gemeinfrei

Die EKD nimmt gerade eine Mitarbeiterin, die als sogenannte Pfarrerin bei einer Landeskirche, nämlich der evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, beschäftigt ist, gegen Hass und Hetze in Schutz. Die Frau mit den rosa Haaren hatte im Sommer bei einem „Po-Up-Hochzeits-Festival“ in der Abteilung „Pride-Edition“ eine Lebensgemeinschaft von vier Männern gesegnet. Nun gibt es Vorwürfe der Polygamie, was natürlich Unfug ist. Bigamie oder Polygamie setzen zunächst die Existenz einer Ehe voraus. Eine solche ist aber – wohl auch nach protestantischem Verständnis – vorab zwischen den Mitgliedern des gesegneten Quartetts nie geschlossen worden. Im Zusammenhang mit gleichgeschlechtlichen Verhältnissen müsste im Falle von vier Männern einfach von Promiskuität gesprochen werden. Das ist der Fachbegriff. Das ist gesetzlich nicht verboten. Der Staat interessiert sich zudem nicht im Geringsten dafür, wen oder was Vertreter der EKD segnen. Die Mitarbeiterin der EKD, eine Mathematikerin und Diplom-Theologin mit landeskirchlicher Ordination begründet ihre Handlung damit, dass zwischen den vier Männern ganz viel Leben gewesen sei. Das muss man so akzeptieren, auch wenn die Aussage streng logisch keinen Sinn ergibt und wohl irgendein Gefühl ausdrückt. Ein solches lässt sich weder verifizieren noch falsifizieren. Deshalb sind Gefühle in rechtlichen Zusammenhängen auch nicht von Relevanz.

Ist das schon normal?

In der Tat sind vermutlich nicht alle, die von dem Vorfall erfahren, so gelassen im Umgang damit, weil in der Breite der Bevölkerung eben nicht die so sehr gewünschte Queer-Begeisterung vorherrscht. Die erdrückend allermeisten Menschen – sorry to say – leben, denken und reden bipolar heteronormativ. Gut erzogene Menschen überschweigen Dinge, die sie nicht persönlich berühren aber inakzeptabel finden. Tun wir so, als hätten wir es nicht gesehen. Einfachere Naturen tragen da schon mal deutlicher das Herz auf der Zunge. Und dann fällt hier und da sicher auch schon mal das eine oder andere kräftige, zuweilen nicht mehr zitierfähige Wort über eine solche Segnung. Das ist nicht schön, aber wer die Hitze nicht verträgt, sollte die Küche meiden.

Die EKD, als verfasste Körperschaft eine eher postchristliche, woke und auf maximale Zeitgeistkonformität bedachte Gemeinschaft, wittert – so will es der Zeitgeist – in jeder etwas brachialer formulierten Kritik gleich Hass und Hetze. Das ist ein Problem. Man könnte stattdessen die geübte Kritik schärfer analysieren und sich die Frage stellen, ob es nicht doch für Christen erlaubt ist, die Ehe in guter Tradition als eine auf Dauer angelegte Gemeinschaft von einem Mann und einer Frau ist. Die christlich-jüdische Lehre über die Ehe bezieht sich bei allen Unterschieden in Details im innersten Kern auf die Schöpfungsgeschichte. Mann und Frau sind aufeinander hin geschaffen und erkennen einander, wie Adam in der Genesis Eva erkannt hat. Es darf zumindest für bürgerliche Menschen angenommen werden, dass man nicht mit der ganzen Breitseite an Häme und Polemik über jene herfällt, die eben anders sind und leben wollen. Doch die Norm als Norm anzusehen und als solche zu verteidigen muss erlaubt sein und bleiben.

Schlechtes Benehmen hat man zu ignorieren

Wo sich also Menschen in verletzender Weise äußern, wo sie möglicherweise zu Gewalt gegen Sachen oder Personen aufrufen, dort ist es angezeigt, klar und deutlich zu benennen, dass dies den Frieden stört und es ist, insofern es rechtswidrig ist, von staatlichen Stellen zu verfolgen und vor Gericht angemessen zu urteilen. Das ist keine Frage. Doch dort, wo Menschen ihre Werte verteidigen, wo sie vielleicht sogar moralisch argumentieren, wo sie ihrer persönlichen Sicht, die der Sicht jener Pfarrerin konträr entgegenstehen kann, vielleicht sogar mit kräftigen Worten Ausdruck verleihen, kann und darf von Hass und Hetze nicht die Rede sein.

Diese Gummibegriffe Hass und Hetze machen jeden kultivierten Menschen aggressiv. Denn natürlich darf ist hassen. Ich hasse die Sünde. Meine eigene am meisten. Ich Hetze auch schon mal gegen jemanden und dann hasse ich das, weil das nämlich unter Umständen eine Sünde ist. Und ja, es gibt auch Menschen, die ich zutiefst hasse. Das darf ich nicht, weil es gegen das Liebesgebot verstößt und auch eine Sünde ist. Diese zu hassen, ist jedoch erlaubt. Hypersensible Wokeisten sind sogar in der Lage, Satire, Ironie oder Humor als Hass und Hetze zu missdeuten. Selbst eine ganz nüchterne, sehr kühl gehaltene diskursiv vorgetragene Position kann als Hetze fehlgedeutet werden, wenn man nur genug üblen Willen an den Tag legt.

Hass und Hetze – Gummibegriffe

Gemerkt? Hass und Hetze sind weder rechtlich noch kommunikationstheoretisch greifbar und damit erst recht nicht angreifbar. Man kann niemanden von Hass und Hetze schützen. Nicht einmal eine Pastorin mit rosa Haartracht ist davor sicher oder in Sicherheit zu bringen. Jeder Mensch mit etwas Kultur wird danach trachten, sich nicht verletzend zu äußern. Menschen ohne Kultur sind ohnehin nicht satisfaktionsfähig. Warum sollte man sie oder ihr dummes Gelaber ernst nehmen. Die Debatte verlangt Resilienz, wenn fruchtbar sein soll, denn das verlangt auch, dass sie die Schärfe nicht scheut. Bei allem gegenseitigen Respekt gegenüber der Person, verlangt die Sache größtmögliche Klarheit. Während man sich gegen persönliche Anfeindungen in aller gebotenen Härte zur Wehr setzen darf, was noch keinem woken Vertreter unserer Tage schwergefallen ist, verlangt das Argument, auch das harte und widerborstige, Aufmerksamkeit und Erwiderung, während es die Wokeisten gerne mal als Hass und Hetze abtun, um sich vor eben jener Erwiderung zu drücken. Sehr bedauerlich.

Ehe made in church – Trademark

Als Katholik interessiert es mich nicht im Geringsten, wie viele Personen m/w/d eine protestantische Pastorin in eine wie auch immer bezeichnete Kommunität/Harem/Bi-Poly-Sonstwas-gamie hineinsegnet. Die evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz findet das Quartett völlig OK. In der katholischen Kirche geht so etwas nicht, auch wenn derzeit in einigen deutschen Diözesen der Eindruck erweckt wird, es ginge. Nein, es geht nicht. Der Vatikan hat es klar gesagt.

Eine Sache ärgert mich nicht erst seit gestern. Bismarck hat der Kirche die Ehe geklaut, als er die staatliche Trauung der Eheschließung zwingend vorher gesetzt hat. Bis dato galt dem Staat, was die Kirche als Ehe bezeichnet hat. Für die Lutheraner ein weltlich Ding. Für Katholiken ist die Ehe ein Sakrament. Die Kirche hätte rechtzeitig im 19. Jahrhundert Markenschutz für den Begriff „Ehe“ beantragen müssen. Jetzt darf jeder sein eigenes Ehe-Ding machen. Notfalls auch ein queeres Quartett.

Und wenn man das in der evangelischen schlesischen Oberlausitz für eine Ehe hält, nunja, dann ist das da eine.

Und es ist dann immer noch nicht Hass und Hetze zu sagen, das sei doch keine Ehe.

Dieses ganze Beispiel, völlig unabhängig davon, wie man die Handlung der Pfarrerin auffasst, wie man zur Ehe steht, wie man zu Queer und Vielfalt steht, zeigt am Ende nur eines: Mit dem Kampfbegriff Hass und Hetze gibt es weder ein diskursives Vorankommen noch gesellschaftlichen Frieden. Vielleicht sollte der Staat statt „Hass und Hetze“ zu verbieten, lieber die Jagd auf „Hass und Hetze“ verbieten. Dem Frieden im Land wäre es zuträglicher.